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Diagnose ?

BeitragVerfasst: Sa 29. Jun 2019, 13:38
von Schwede
Hallo

Bei mir wurde 2001 ein Verdacht auf eine degenerative Erkrankung des ersten Motorneurons feystgestellt.
Seit dem werden Gang, Sprechen, Schreiben und Koordinaton langsam immer schlechter.
Rennradfahren geht jedoch - und darüber bin ich echt froh !
Macht es "Sinn"eine genaue Diagnose zu bekommen , um die Therapien evtl. besser abzustimmen ?
Z.B.: in der Neurologischen Klinik Tübingen ?

Gruß Thomas

Re: Diagnose ?

BeitragVerfasst: Sa 29. Jun 2019, 14:21
von Rudi
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Hallo Thomas,

zunächst ein "Herzliches Willkommen" hier bei uns im Forum "Ge(h)n mit HSP".

Auf deine Frage zu einer genaueren Diagnose gibt es in meinen Augen nur eine Antwort. Ja, du solltest das unbedingt machen.

Ich begründe dir meine Empfehlung auch. Seit bei dir in 2001 die Verdachtsdiagnose HSP gestellt wurde, hat sich sehr viel in der Forschung getan. Heute wird ein möglicher genetischer Zusammenhang mit neu entwickelten Verfahren untersucht. Diese Verfahren bringen dir ein paar große Vorteile. Zum einen werden alle bisher bekannten und diagnostizierbaren HSP-Gene untersucht. Das sind aktuell rund 80 solche Gene. Zusätzlich werden mit dieser Technik im gleichen Schritt etwa 50 weitere Gene untersucht, die keine HSP-Gene sind, die aber ähnliche Symptome hervorrufen. Sollte bei dir eine solche, anderer Erkrankung vorliegen, dann hast du die große Chance, möglicherweise eine spezielle Behandlungsoption für genau diese Krankheit zu finden. Du siehst, dass allein diese Option die erweiterte Diagnostik rechtfertigt. Und, passieren kann dir ja nichts. Im ungünstigsten Fall kommt heraus, dass man kein mutiertes Gen gefunden hat. Das wäre aber kein Rückschritt für dich sondern würde an deiner momentanen Situation nicht ändern.

Ich hoffe, dass für dich der Weg nach Tübingen nicht zu weit ist. Ansonsten melde dich bitte erneut.

Herzliche Grüße
Rudi




Re: Diagnose ?

BeitragVerfasst: Mo 19. Aug 2019, 10:10
von Ingemaus
Hallo, ich habe mich hier angemeldet weil ein Verdacht auf HSP besteht.
Es soll jetzt eine Blutprobe nach Tübingen geschickt werden,hoffe natürlich das es sich nicht bestätigt
bin aber schon seit 11 Jahren von einer Klinik zu anderen gechickt worden und es kam nichts konkretes heraus...
aber ich lese immer das es eine Erbkrankheit ist, in meiner Familie und Verwandschaft ist aber so etwas nicht
Lg Ingrid

Re: Diagnose ?

BeitragVerfasst: Mo 19. Aug 2019, 17:32
von Rudi
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Hallo Ingrid,

zunächst ein herzliches Willkommen hier bei uns im Forum „Ge(h)n mit HSP“.

Bei der HSP ist es leider immer noch so, dass eine Diagnose sehr lange dauern kann. Es ist aber sehr gut, dass deine Diagnose nun in Tübingen läuft. Die Tübinger sind eine der wenigen Kliniken, in denen die Diagnose sehr umfangreich laufen kann. Es ist aber leider so, dass das noch immer recht viel Zeit in Anspruch nehmen kann. Zusätzlich kann es passieren, dass du auch dort noch kein Ergebnis bekommst. Der Grund dafür ist, dass es bei der HSP nicht nur ein verursachendes Gen gibt. Man kennt heute mehr als 80 solcher Gene. Und „nur“ die können in deiner Blutprobe auf Mutationen in diesen bekannten Genen untersucht werden. Man geht davon aus, dass es etwa 200 Gene geben könnte, in denen eine Mutation zur HSP führt. Die Differenz, also etwa 120 Gene, kennt man bis heute aber noch nicht. Dennoch, etwa 60% der Verdachtsdiagnosen auf HSP erhalten in Tübingen einen Nachweis zu ihrem HSP-Gen. Es wird auch ständig weiter nach den verantwortlichen Genen gesucht. Nur, dafür ist viel Arbeit, viel Zeit und vor allem sind viele HSP’ler erforderlich, die bei dieser Suche mitmachen. Ein neues Gen zu finden ist nämlich sehr aufwändig.

Du schreibst, dass du in deiner Familie bisher keine Verwandten kennst, die ebenfalls eine HSP haben. Das ist im ersten Moment bei einer vererbten Erkrankung für uns Laien nicht ganz leicht zu verstehen. Es gibt da mehrere Gründe, warum das der Fall sein kann. Hier nun die Erklärungen dazu.

Die einfachste Erklärung ist die, dass es immer einmal den ersten Patienten geben muss. Das sind solche HSP’ler bei denen eine so genannte Spontanmutation vorliegt. Bei ihnen ist eine erstmalige Mutation aufgetreten. Die ist dann vermutlich entweder in der Eizelle der Mutter oder im Spermium des Vaters aufgetreten. Das passiert bei der Zellteilung der Eizelle bzw. der Spermiumzelle. Das ist ein reiner Zufall. Bedenke bitte, dass bei jeder Zellteilung alle Bestandteile der Zelle „kopiert“ werden. Das betrifft auch die rund drei Milliarden Bausteine, aus denen die Gene bestehen. Sollte da bei der Zellteilung in diesen Zellen ein Fehler in einem HSP-Gen aufgetreten sein, dann hat die befruchtete Eizelle diesen Fehler. Da du aus der befruchteten Eizelle entstanden bist (auch das geschieht ja wieder nur durch Zellteilung) hast du in all deinen Zellen nun ganz genau den zuvor beschriebenen Fehler. Und dieser Fehler wird Mutation genannt. Das fatale ist, dass dieser Fehler nun in jeder deiner Zellen zu finden ist. Somit gibst du diesen Fehler auch an deine Kinder weiter.

Das gerade Beschrieben ist eine Spontanmutation. Sie kommt immer wieder einmal vor. Du wärest damit dann der Patient eins in einer neuen Reihe.

Die zweite Möglichkeit ist die der so genannten rezessiven Vererbung. Es gibt ‒vereinfacht ausgedrückt‒ zwei Arten der Vererbung von genetischen Fehlern. Das sind die dominanten und die rezessiven Formen. (Auf die X-chromosomalen, die fast nur bei Männern auftreten können, gehe ich hier nicht ein.)

Wenn ein Kind gezeugt wird, dann wird die Eizelle der Frau durch eine Spermiumzelle des Mannes befruchtet. Beide haben den kompletten Gensatz, den sie von den eigenen Eltern bekommen haben. Die befruchtete Eizelle ‒und damit jede Zelle des Kindes‒ hat also zwei komplette Gensätze. Einen vom Vater und einen von der Mutter. Sollte in einer der beiden Zellen eine Mutation vorliegen, so tritt aber nicht unbedingt die Erkrankung auf. Bei den dominant vererbten Erkrankungen tritt die Erkrankung mit einem Risiko von 50% auf, wenn entweder der Vater oder die Mutter die Erkrankung hat. Die 50% kommen daher, weil der betroffene Elternteil von seinen Eltern auch einen doppelten Gensatz erhalten hat. Wenn nun von dem doppelten Gensatz das mutierte Gen zur Zeugung des Kindes genutzt wurde, so ist dieses eine Gen dann verantwortlich für die Krankheit. Sollte aber aus den doppelten Gensatz das gesunde Gen genutzt worden sein, dann kann die Krankheit nicht kommen. Du erkennst, dass das Risiko 50 zu 50 ist. Eines der beiden vererbten Gene reicht aus, um krank zu werden. Das gilt bei den dominanten Genen.

Die zwei Vererbungsform sind die sogenannten rezessiven Gene. Hier kommt eine Krankheit nur dann zum Tragen, wenn das Gen sowohl vom Vater wie auch von der Mutter mutiert übertragen wurde. Die Krankheit bricht dann aus. Beide Eltern haben dieses Gen in ihrem eigenen Gensatz nur einmal in der mutierten Form vorliegen. Sie sind gesund. Denn bei rezessiven Genen ist es, wie gesagt, erforderlich, dass beide Gene mutiert sind. Diese Form kommt relativ häufig vor. Beide Elternteile tragen das mutierte Gen nicht zweifach, sondern nur einfach in sich. Sie sind gesund. Das gesunde Gen ist allein stark genug; die Krankheit kann nicht kommen. Nur wenn beide Gene in der mutierten Form übertragen wurden, wird das Kind krank. Das Risiko für diese Eltern beträgt 25%, dass sie ein krankes Kind zeugen.

Das alles nur zur Erklärung, warum bei dir eine HSP vorliegen könnte, auch wenn deine Eltern ganz gesund waren.

Du kannst über eine Excel-Tabelle etwas spielerisch genauer in die Risiken einsteigen. Wir haben dazu bei uns im Forum in den
„Häufigen Fragen“ im Punkt 05.a (α) Wie hoch ist das Vererbungsrisiko bei HSP? die entsprechenden Tabellen verlinkt.

Bei weiteren Fragen stehe ich dir auch gerne telefonisch zur Verfügung (07033-36353)

Herzliche Grüße
Rudi