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SPG5A

BeitragVerfasst: Do 21. Jul 2022, 21:49
von Kerlingin
Hallo zusammen, meine Kinder 26 und 29 Jahre alt haben gerade die Diagnose SPG5A bekommen. Meine Tochter sitzt schon viele Jahre im Rolli und hatte als Kind schon viele untypische Erkrankungen ...Hüftkopfnekrosen, Gallensteine... Es wurde aber immer von einer infantilen Cerebralparese ausgegangen . Vor einem halben Jahr begann unser 26 jähriger Sohn mit ,' Gehprobleme' und und unangenehmen Spastiken. Beide leiden auch inzwischen unter Blasenstörungen. Gibt es vielleicht auch Betroffene mit genau dieser Diagnose? Würde mich sehr freuen mich mal auszutauschen. Meine Kinder sind dazu noch nicht bereit...ist alles grade schwer....LG , Kerlingin

Re: SPG5A

BeitragVerfasst: Fr 22. Jul 2022, 09:48
von Rudi
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Hallo Kerlingin,

zunächst ein herzliches Willkommen hier bei uns in der Interessengemeinschaft „Ge(h)n mit HSP“. Du sprichst in deinem Beitrag bereits ein paar wesentliche Grundthemen der HSP an, die ganz unabhängig vom verantwortlichen Gen anzutreffen sind.
Es ist bei den meisten Formen der HSP so, dass sich die Symptome nicht bereits in der Kindheit eindeutig zeigen. Sehr häufig treten die Krankheitszeichen erst im dritten Lebensjahrzehnt in Erscheinung, so dass sie dann überhaupt erst auffallen. Erst später erkennt man dann als Betroffener, dass das eine oder andere Zeichen bereits Jahre zuvor auf die HSP hingedeutet hat, was aber niemand erkannt hat. Auch die von dir beschriebene Fehldiagnose der „infantilen Cerebralparese“ ist nicht ungewöhnlich.

Die von dir angesprochenen Blasenstörungen sind ein Standardthema für viele HSP-Betroffene. Dabei gibt es im Regelfall zwei Formen, die vorkommen. Die erste Form ist die der Inkontinenz. Betroffene kommen dann gar nicht schnell genug zum WC. Sie können den Urin nicht lange genug halten. Bei anderen führt die HSP dazu, dass sich die Blase nicht leeren lässt. In beiden Fällen ist ein Besuch bei einem Neurourologen dringend geraten. Es gibt vielfältige Lösungen von speziellen Medikamenten, über Katheter bis hin zu Botox-Therapien. Das bitte unbedingt mit den Fachärzten durchsprechen. Infos an dieser Stelle zum Thema sind nicht individuell und wären daher nicht wirklich hilfreich.

Die angesprochenen Gehprobleme durch Spastik sind das Grundthema der HSP, das in allen HSP-Formen vorkommt. Die Spastik lässt sich mit unterschiedlichen Medikamenten behandeln. Eine gute Zusammenfassung findest du in
diesem Aufsatz von Dr. Michael Speer, der Bestandteil in unserer Seite zu den Häufigen Fragen ist.

Absolut notwendig ist es, dass ihr in einer guten ärztlichen Betreuung seid. Das ist bei der seltenen HSP nicht so ganz einfach. Siehe deshalb unbedingt unsere Seite zu den
HSP-Ambulanzen.

Dann jetzt noch ein paar Worte zum SPG5A. Das Gen wird manchmal auch nur als SPG5 bezeichnet, was ich nun auch mache. Gemeint ist aber das Gleiche. Dieses Gen ist ein rezessives HSP-Gen, was bedeutet, dass beide Eltern Träger des mutierten Gens sind und beide das mutierte Gen bei der Zeugung des Kindes weitergegeben haben. Die Eltern selbst sind aber gesund. Sie haben nämlich von den eigenen Eltern (von einem Elternteil) nur ein defektes Gen mitbekommen. Beim SPG5 treten Symptome nur dann auf, wenn das Kind von jedem Elternteil das mutierte Gen bekommt. Wir haben alle Gene doppelt; eins von jedem Elternteil. Bei rezessiven Genen, wie beim SPG5, treten Symptome nur dann auf, wenn beide Gene mutiert sind. Nur am Rande: Bei dominanten Formen wie beim SPG4 ist eine mutierte Form ausreichend.

Am SPG5 wird natürlich auch geforscht. Du solltest es gleich zum Beginn deiner Auseinandersetzung mit dem Thema wissen, dass an der HSP und an ihren unterschiedlichen Formen weltweit recht intensiv geforscht wird. Erfolge können aber natürlich nur dann erzielt werden, wenn wir HSP'ler dabei aktiv mitmachen und uns vielfältig engagieren.

Bei einer SPG5-Mutation kommt es zu einer Störung des Cholesterin-Stoffwechsels innerhalb der Zelle. Die Folge dieser Störung ist, dass die notwendigen Cholesterinmengen fehlen, so dass die Myelinmembranen nicht funktionsfähig hergestellt werden können. Diese Membranen umhüllen unsere Nervenfasern und wirken wie eine Isolationsschicht. Fehlt das Myelin, so führt das zu Koordinationsstörungen und zu Bewegungsstörungen. Mit einem Medikament, das seit langem bekannt ist und zur Beeinflussung des Cholesterinstoffwechsels im Körper eingesetzt wird, sollte es versucht werden, den negativen HSP-Effekt bei SPG5-Patienten positiv zu beeinflussen. Leider traten die Ergebnisse nicht so ein, wie erhofft, so dass weiter geforscht werden muss. Es gab dazu zahlreiche Publikationen.
Siehe zum Beispiel hier.

Ein anderes Beispiel, das ich als wegweisend angesehen hatte, war eine Studie der Uni Tübingen in Kooperation mit der Firma CureVac.
Siehe hier. Die dort angewandte Technik war die der Messenger RNA. Du wirst davon im Zusammenhang mit der Corona-Impfung gehört haben. Die Versuche fanden aber einige Zeit vor Beginn der Corona-Pandemie statt, weil diese Technik sehr universell einsetzbar ist. Also bitte nicht falsch verstehen, man kann sich nicht gegen HSP impfen lassen. :)

Abschließend noch ein Hinweis für deine Kinder. Rate ihnen, sich unbedingt mit uns zu verbinden. Nur im Miteinander und nicht als Solisten können wir die HSP besiegen. Von solchen Kontakten profitiert jeder. Das geht zum Beispiel in unserem alle zwei Monate stattfindend Informationsaustausch.
Siehe beispielhaft hier. Deine Kinder -und natürlich auch du- können mich gerne anrufen -07033-36353-, um weiter Infos zur HSP zu erhalten.

Alles Gute
Rudi




Re: SPG5A

BeitragVerfasst: Fr 22. Jul 2022, 20:49
von Kerlingin
Hallo Rudi, dankeschön für die nette Begrüßung und die vielen Informationen. Ich bin sehr froh hier gelandet zu sein....Kämpfe gerade noch mit der Benutzung dieser HP, aber das werde ich noch lernen. Es gibt ja soviele Infos hier. Rudi ,Du bist ja ein richtiger Experte!! Super, jetzt hab ich das auch nochmal besser verstanden mit der ' Vererbung' . Ist ja verrückt, das wir Eltern beide diese Anlage haben und unsere Kinder deshalb erkrankt sind. Das ist sicher sehr selten. Du hast mir noch eine persönliche Nachricht geschickt ,dich ich jetzt nicht mehr finde..Also muss hier echt noch üben...
Ich war ja platt ,dass Du meinen Isländischen Namen gleich 'entarnt'. Mein Mann ist Isländer...Es wäre wunderbar einen Kontakt zu den Isländern zu bekommen. Speziell für meinen Mann. Sich in der Muttersprache zu verständigen ist ja immer leichter.
Meinem Sohn hab ich heute gezeigt , was ich hier geschrieben hat. Er wird sicher bald auch hier mitmachen. Noch ist alles sehr stressig für ihn...es stehen immer wieder noch Untersuchungen an und die ganze Gespräche bzgl. seines Arbeitsplatzes sind auch sehr anstrengend. Es hat schlichtweg keine Energie mehr. Werdet ihr HSPler sicher kennen. Rudi , würde sehr gerne mal telefonieren. Werde es am WE mal probieren. Ganz liebe Grüße, Petra Jerlingin