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Rehamassnahme im MediClin Soltau

BeitragVerfasst: Mo 5. Aug 2013, 22:40
von Siggi
Vor Kurzem habe ich eine 5wöchige Reha-Maßnahme am MediClin Soltau absolviert. Ich persönlich bin begeistert, denn man hat mir dort wieder richtig „auf die Füße“ geholfen.

Allerdings bin ich nicht der typische HSP-Patient, denn außer der genetisch gesicherten HSP (SPG4) habe ich noch eine starke Wirbelsäulenverkrümmung, die mir ein Balanceproblem beschert, Verengungen im Spinalkanal und einen deutlich nach innen verschobenen Gleitwirbel, der auf Nervenenden drückt und somit Lähmung in den Beinen wie auch starke Schmerzen verursachen kann. Leider hat er das bei mir getan, ich hatte rund um die Uhr starke Spastik und messerscharfe Schmerzen im Oberschenkel, egal ob im Ruhezustand oder bei Bewegung. Einziges effektives Mittel: Cortison. Leider mit solchen Nebenwirkungen, dass die Einnahme jeweils nur kurzfristig sein konnte.

4Wochen vor der Reha war ich durch Cortison in einen vorwiegend schmerzfreien Zustand gekommen, konnte aber durch monatelange Schonhaltung nur stark vornübergebeugt stehen oder gehen, schaffte nur kleine Schritte, nur recht langsam sehr kurze Strecken mit Gehstöcken, für längere brauchte ich den Rollstuhl. Nur durch Abstützen und Kraft der Arme konnte ich vom Stuhl aufstehen, konnte mich nicht so weit bücken, um etwas vom Boden aufzuheben. Mich um die eigene Achse drehen konnte ich nur mit Festhalten, auf einem Bein stehen nur für sehr kurze Zeit. Treppe hoch schaffte ich auf allen Vieren. In diesem Zustand kam ich also ins MediClin Klinikum Soltau.

Es gibt dort jeweils Fachkliniken für neurologische, orthopädische und geriatrische Rehabilitation sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Indikationen für den Bereich Neurologie sind Schlaganfall, MS, Parkinson, Polyneuropathien, Epilepsien, Muskelerkrankungen. Der Schwerpunkt der Orthopädie-Klinik liegt in der Behandlung chronischer Schmerzpatienten, zusätzlich unter anderem bei neuro-orthopädischen Krankheitsbildern. Auch im psychosomatischen Bereich steht unter anderem die Behandlung von Patienten mit Störungen im Bewegungssystem mit funktionellen Einschränkungen und Schmerzen.

Meine Krankenkasse hatte mir die Reha in dieser Klinik bewilligt. Die obigen Informationen lasen sich für mich persönlich gut. Ich fragte telefonisch an, ob es Physiotherapie im warmen Wasser gäbe, ein Schwimmbecken, Laufband, eine Rüttelplatte (SRT). Letztere gab es nicht ( nur Posturomed), alles andere schon. So freute ich mich auf meine Zeit dort.

Die Klinik liegt direkt am Wald. Alles ist eben, die Stadt auch zu Fuß oder per Rad gut zu erreichen, Spaziergänge aus der Klinik raus rein in den Wald möglich. Zum Klinikgelände gehören schöne Gartenbereiche mit Tischen, Stühlen, Liegen. Es gibt einen Kiosk und eine Cafeteria, allerdings mit ausschließlich alkoholfreien Getränken. Schwimmbad und Fitnessraum konnten abends und an Wochenenden genutzt werden, ebenso die Sporthalle für Ballspiele oder Tischtennis. Fahrräder konnten ausgeliehen werden. Am Wochenende gab es Zugang zum Werkraum. Der wurde unter der Woche Abends viel genutzt zu Kursen für Malen mit Aquarellkreide, Schmuckworkshops, 3D-Bilder, Serviettentechnik, usw, zudem gab es einen Abend je Woche Singen im Chor, Disco, Kino. Auf jeder Etage gab es einen Bereich mit Sitzgruppen, an denen nachmittags von 14.00 – 16.00 Uhr Kaffeewagen (auch Tee) zur kostenlosen Nutzung standen. Abends saßen wir dort zum Kartenspielen so lange wie wir wollten. Außer mir war noch ein weiterer HSP-Patient da, viele Patienten mit Schlaganfall, Multipler Sklerose, Parkinson, Tetraspastik, auch in Kriegsgebieten schwer verletzte junge Männer.

Das Essen: Morgens und abends gabs Buffet mit Aufschnitt, Käse, Konfitüre, diversen Brotsorten (auch welchen aus Vollkornmehl) und Brötchen, vegetarischem Brotaufstrich, morgens mit Obst und Cerealien, abends mit frischem Salat. Mittags gab es Suppe, 3 verschiedene Gerichte (eines vegetarisch), bei denen man sich an der Theke auch Komponenten von allen dreien aussuchen konnte, frischen Salat, Dessert. Auch innerhalb von 5 Wochen empfand ich es abwechslungsreich.

Ich erhielt ein geräumiges barrierefreies sehr helles Einzelzimmer mit Fernsehgerät. Internetzugang im Zimmer war möglich, aber sehr teuer (15€ pro Woche). Telefonanmeldung ging nur kostenpflichtig, Telefonate kostenpflichtig für einen selbst und auch für Anrufer (0180-Nummer). Handy-Empfang klappte nicht immer.

Kurz nach der Ankunft kam ich zur Aufnahmeuntersuchung zur zuständigen Neurologin. Sämtliche Berichte und Bilder der vergangenen 12 Monate hatte ich mitgebracht, die meisten davon kannte sie bereits. Nach einer gründlichen Untersuchung besprachen wir die mögliche Therapien, einigten uns sofort. Der Oberarzt kam dazu und hielt eine Reduzierung der täglichen Cortisondosis für unbedingt notwendig, verordnete gegen die Schmerzen stattdessen Gabapentin. Ich konnte in wochenweisen Schritten das Cortison reduzieren von 30mg auf 10mg, ohne dass Schmerzen wieder auftraten. Am Tag danach hatte ich ebenfalls ein Gespräch mit einem Orthopäden. Chefarztvisite fand in den gesamten 5 Wochen nur ein einziges Mal statt, Visite durch die Stationsärzte jede Woche. Außerdem gab es an 4 Tagen der Woche feste Sprechzeiten oder man ließ sich durch die Schwestern eine Sprechzeit vermitteln.

Mein Therapieplan beinhaltete je Woche: 4 x Physiotherapie, 3 x Ergotherapie, 3 x Aquafit neuro, 2 x Schmerzgruppe, 3 x Warmpackung, 3 x Massage, 3 x Laufbandtraining, 3 x MTT, 2 x Lymphdrainage, 1 x Ernährungsberatung (Ernährung bei Schmerzen, Gewichtsreduzierung).

Durch Urlaub und Krankheit enthielt der computererstellte Therapieplan jedoch manchmal weniger Termine als abgesprochen. Die Damen in der Therapie-Disposition waren jedoch freundlich und cooperativ, so dass es nach ihrem Wirken immer klappte.

Ich war davon ausgegangen, eine bestimmte Physiotherapeutin ständig zugeordnet zu bekommen. Wie gesagt, durch Urlaub und Krankheit klappte das nicht, war aber wiederum sehr gut, denn so konnte ich nutzen, dass eine Therapeutin mich nach Bobath behandelte, eine andere behandelte meinen komischen Rücken sehr erfolgreich nach Dorn-Breuss, eine Dritte ließ durch Kleben von Tapes die Schmerzen im Beckengürtelbereich und in der Schulter verschwinden.

Die Ergotherapeutin hat mit mir viele Übungen gemacht, um meinen sehr schief stehenden Körper auszurichten und zu strecken.

Im Aquafit gabs natürlich Übungen wie einfach nur gehen und dabei die Arme mitschwingen, sehr viele Hüpfübungen ( Neuro-Patienten hüpfen zu wenig) und Balanceübungen, die gleichzeitig Konzentrationsübungen waren. Wie z.B. auf dem linken Bein stehen, das rechte Bein von vorn nach hinten schwingen, den linken Arm seitlich weg und wieder ran bewegen, unter Wasser, mit einer Nudel in der Hand - und immer schön koordinieren und ausbalancieren.

Beim MTT waren 2-3 Physiotherapeuten dabei, so dass man ständig beobachtet und korrigiert wurde. Beim ersten Mal dort wurde ich gefragt, was ich erreichen möchte, und mir wurden Übungen vorgeschlagen. Beinpresse, Butterfly, Zuggeräte, Fahrrad usw. Am Besten gefiel mir das Posturomed, eine Plattform auf federgedämpften Schwingelementen, auf der ich meinen Körper immer wieder ausbalancieren musste.

Die Schmerzgruppe wurde von einer Psychologin geleitet,

Massagen, Warmpackungen und Lymphdrainagen waren nicht anders als zu Hause. Faszinierend fand ich , dass auch Lymph-Tapes geklebt werden konnten! Im physikalischen Bereich gab es als Therapien noch Stangerbad, Zweizellenbad, Bewegungsschienen.

Für zB Schlaganfall- oder MS-Patienten gab es noch Therapien zur Verbesserung des Konzentrationsvermögens, Sensibilisierungstraining. Logopädie. Es gab auch eine Aphasie-Station, in der Patienten mit Sprachstörungen infolge einer hirnorganischen Erkrankung behandelt wurden.

Die Klinik verfügt über keinen Lokomaten, keine Wärmekabine, keine Rüttelplattform.

Dennoch habe ich mit den Therapien dort nach 5 Wochen folgendes erreicht: Aufrecht stehen und gehen, sogar recht zügig und ausdauernd (in 20 Minuten auf dem Laufband 1026m). Freihändig vom Stuhl aufstehen, mich freihändig um die eigene Achse drehen, länger auf einem Bein stehen. Etwas vom Boden aufheben. Freihändig im Haus gehen und sogar kurze Strecken im Garten auf dem unebenen Rasen.

Die meisten Therapeuten hatten noch nie etwas von HSP gehört. Sie wussten dennoch, wie man behandeln muss, um eine Spastik zu lockern, Gleichgewicht zu schulen, verkürzte Muskulatur zu dehnen, Schmerzzustände zu verringern, Muskeln aufzubauen. Davon habe ich persönlich sehr profitieren können, bin durchweg zufrieden mit meiner Reha in Soltau, hoffe dass ich das nicht zu umfangreich beschrieben habe.