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Ataxien und hereditäre spastische Spinalparalysen

BeitragVerfasst: Sa 10. Jun 2017, 09:27
von Rudi
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Hallo zusammen,

unten eingestellt ist ein neuer Aufsatz unserer HSP-Forscher aus Tübingen. Er ist gestern online in der Zeitschrift "Der Nervenarzt" erschienen und wird bei uns im Forum "Ge(h)n mit HSP" gleich online gestellt.

Herzliche Grüße
Rudi




Der Nervenarzt
pp 1–8
Ataxien und hereditäre spastische Spinalparalysen
• R. Schüle
• L. Schöls

Leitthema
First Online: 09 June 2017
DOI: 10.1007/s00115-017-0357-4
Cite this article as:
Schüle, R. & Schöls, L. Nervenarzt (2017). doi:10.1007/s00115-017-0357-4





Zusammenfassung

Die hereditären Ataxien und spastischen Spinalparalysen sind primär genetisch bedingte Erkrankungen, die bis auf wenige Ausnahmen altersabhängig vollständig penetrant sind. Die Genetik ist daher sowohl der Schlüssel zur Diagnose als auch Ausgangspunkt zur Aufdeckung der Pathophysiologie und zur Entwicklung kausaler Therapieansätze für diese Erkrankungen. Sowohl die genetische Basis als auch das phänotypische Spektrum der hereditären Ataxien und spastischen Spinalparalysen überlappen; daher ist eine Klassifikation mit einer strikten Trennung der Erkrankungsgruppen nicht länger sinnvoll. Moderne genetische Techniken ermöglichen die zeit- und kosteneffektive parallele Sequenzierung aller bekannter Ataxie- und Spastik-Gene. Allerdings müssen Repeatexpansionen und große genomische Deletionen separat bedacht werden. Hierfür stellt der Artikel einen in der Praxis bewährten diagnostischen Algorithmus vor. Grundsätzlich ist eine differenzierte klinische Analyse des Phänotyps für die korrekte Interpretation der oft zahlreichen genetischen Varianten in den Hochdurchsatzanalyseverfahren unverzichtbar. Trotz aller Fortschritte bleibt ein beträchtlicher Anteil familiärer Ataxie- und Spastikfälle bislang ohne genetische Diagnose. Neben bislang unentdeckten Spastik- und Ataxie-Genen sind auch ungewöhnliche Mutationstypen wie z. B. nichtkodierende Varianten und polygenische Vererbungsmodi als Ursache zu vermuten. Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten und aufwendigen Untersuchungstechniken sollten Patienten mit hereditären Ataxien und spastischen Spinalparalysen in entsprechend spezialisierten Zentren mit einem Studien- und Forschungsansatz vorgestellt werden. Dies ist auch für die Rekrutierung repräsentativer Patientenkohorten für zukünftige Therapiestudien von großer Bedeutung.




Ein paar Hinweise zum leichteren Verständnis:

Die Pathophysiologie ist die Lehre von den krankhaft veränderten Körperfunktionen, sowie ihrer Entstehung und Entwicklung.

Zum Phänotyp eines Lebewesens gehören nicht nur die äußerlichen Merkmale, sondern auch Lage und Größe der inneren Organe sowie Verhaltensmerkmale und physiologische Werte wie Blutzuckerspiegel. Unter dem Genotyp versteht man den vollständigen Satz von Genen, den ein Organismus geerbt hat.

Die Repeatexpansion ist eine Mutationsform bei der Teile des Gencods mehrfach wiederholt werden. Sie ist eine Insertion und stellt damit das Gegenteil der großen genomischen Deletion dar, bei der große Teile des Gencods fehlen.