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Mutiertes Gen lässt Nervenzellen sterben

BeitragVerfasst: Sa 23. Mär 2013, 21:29
von boulderbiking
Folgenden Artikel habe ich kürzlich entdeckt. Es geht zwar nicht explizit um HSP, aber allgemein um Motoneurononenerkrankungen. Vielleicht können unsere HSP Forscher aus diesen Erkenntnissen auch Nutzen ziehen.

Liebe Grüße,
Marcus


Forscher haben nun einen neuen Mechanismus für die Entstehung von Erkrankungen der Motoneuronen identifiziert. Ihre Erkenntnisse könnten der Grundstein zur Entwicklung möglicher Therapien für diese bisher unheilbaren Erkrankungen sein.

Die IMBA Wissenschafter rund um Josef Penninger und Javier Martinez haben in Zusammenarbeit mit einer internationalen Forschergruppe einen völlig neuen, fundamentalen Mechanismus entdeckt, wie sogenannte Motoneuronen – Nervenzellen, die für die Reizweiterleitung und Stimulierung der Muskulatur verantwortlich sind, absterben. Der Verlust dieser Motoneuronen in Mäusen, welche eine genetische Mutation in einem Gen namens CLP11 haben, führt zu schweren, fortschreitenden Muskellähmungen und eventuell zum Tod.

"Wir arbeiten seit langer Zeit daran, die Funktion des CLP1 Gens in einem lebenden Organismus aufzuklären. Um dies zu tun, entwickelten wir Mausmodelle, in denen die Funktion von CLP1 genetisch inaktiviert wurde. Völlig unerwartet haben wir entdeckt, dass eine Inaktivierung von CLP1 Zellen anfälliger für oxidativen Stress macht, was zu einer erhöhten Aktivität des Proteins p533 und in Folge zur unwiderruflichen Zerstörung von Motoneuronen führt", erklärt Toshikatsu Hanada, Postdoc bei Josef Penninger und, gemeinsam mit Stefan Weitzer, Erstautor der Studie.

Stephen Hawking als berühmtester Patient

Erkrankungen der Motoneuronen (Motor Neuron Diseases-MNDs), wie amyotrophe Lateralsklerose (ALS) oder spinale Muskelatrophie (SMA), sind chronische Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Dabei kommt es zu einer Schädigung der motorischen Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark. Die Nerven regen die Muskeln nicht mehr zur Bewegung an. Der Abbau der Nervenzellen äußert sich in erster Linie als Muskelschwäche und Muskelschwund, sowie in Schluck- und Sprachproblemen. Stephen Hawking erhielt die Diagnose bereits vor 50 Jahren. Aber nicht alle Patienten mit ALS leben so lange mit der Erkrankung. Für ALS Patienten gibt es derzeit keine Behandlungsmöglichkeiten. Fast alle Patienten sterben nach einigen Jahren an einer Lähmung der Atemmuskulatur.
Völlig neuer Krankheitsmechanismus

Die Wissenschafter rund um den IMBA Gruppenleiter und Mitautor der Studie Javier Martinez sind Spezialisten auf dem Gebiet der Erforschung von Ribonukleinsäure (RNA) und hatten in einer früheren Studie das Gen CLP1 entdeckt (publiziert in Nature 2007). Die genaue Funktion von CLP1 in RNA Biologie war bisher unklar. "Durch die Inaktivierung von CLP1 haben wir eine bis dato unbekannte RNA Spezies entdeckt", beschreibt Javier Martinez die wissenschaftliche Relevanz der Arbeit. "Die Ansammlung dieser RNA ist eine Folge von erhöhtem oxidativen Stress in der Zelle. Wir betrachten dies als einen Auslöser für den Abbau der motorischen Nervenzellen, wie er bei ALS und anderen Nervenkrankheiten vorkommt. Unsere Erkenntnisse beschreiben dadurch einen völlig neuen Entstehungsmechanismus neuronaler Erkrankungen."
Missing Link entdeckt

Josef Penninger, wissenschaftlicher Direktor am IMBA und Mitautor der Studie, zu den Ergebnissen: „Die Rolle von CLP1 bei der Entstehung von Erkrankungen der Motoneuronen stellt ein völlig neues Prinzip dar, wie Erkenntnisse aus der RNA Forschung bisher unbekannte biologische Reaktionen auf oxidativen Stress aufdecken können. Fast alle genetischen Mutationen, die bisher in ALS Patienten gefunden wurden, betreffen entweder den RNA Metabolismus oder oxidativen Stress. Unsere Arbeit könnte den langgesuchten "Missing Link" entdeckt haben, wie diese beiden biologischen Systeme kommunizieren und bei Veränderungen unheilbare Erkrankungen wie ALS auslösen".

Stefan Weitzer sieht in den Ergebnissen großes Potenzial für die Zukunft: "Wir haben einen neuartigen Mechanismus entdeckt, der zu neuronalem Zellsterben führt. Möglicherweise kann man dieses Prinzip auch in anderen Krankheiten finden und mit den gewonnenen Erkenntnissen die Entwicklung von Therapien für bisher unheilbare Erkrankungen vorantreiben.

In unserer Arbeit beschreiben wir auch, dass das Protein p53 den Verlust von Motoneuronen reguliert. Eine Inaktivierung von p53 rettet CLP1-mutierte Mäuse vor dem sicheren Tod". Gelingt es, diese Erkenntnis auf Menschen zu übertragen, hätten die Forscher eventuell einen Therapieansatz entdeckt, um ALS und ähnliche Erkrankungen zu heilen. Dazu brauche es zukünftig aber noch zusätzliche Studien, betonen die Autoren.

Originalpublikation:
The RNA kinase CLP1 links tRNA metabolism to progressive motor-neuron loss.
S. Weitzer et al.; Nature; doi: 10.1038/nature11923.; 2013