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Göttinger Forscher finden Ursachen von Nervenkrankheit

BeitragVerfasst: Fr 12. Sep 2014, 11:31
von Rudi
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Hallo zusammen,

unten eingestellt ist wieder einmal ein sehr interessanter Artikel, der sich mit der HSP befasst. Hier angesprochen ist das Protein Spastizin, das durch das Gen SPG15 hergestellt wird. Das SPG15 gehört in die Gruppe der rezessiven Gene.

Das Interessante im Artikel, das Göttinger Forscher nun zur HSP herausgefunden haben, halte ich hier gesondert fest:

Die bei HSP-Patienten betroffenen Nervenzellen im Rückenmark haben ausgesprochen lange Fortsätze (Ergänzung Rudi: das sind die Axone). Die Fortsätze sind auf Wachstumssignale angewiesen, damit sie funktionstüchtig bleiben. Bei gesunden Menschen sendet die Nervenzelle selbst diese Signale: Das ständige Weiterleiten von Reizen sorgt dafür, dass die Zelle fortwährend die notwendigen wachstumsfördernden Botenstoffe produziert und sie mit Vesikeln in die Fortsätze verschickt.

Bei Menschen, die an HSP erkrankt sind, funktioniert dies vermutlich nicht. Dadurch verlieren die Betroffenen langsam die Kontrolle über ihre Beine. Irgendwann sind sie vollständig spastisch gelähmt. Oft treten weitere Behinderungen auf.


Das Interessante ist hier, dass Wachstumssingnale angesprochen werden, die bei Mutationen im SPG15 nicht zu kommen scheinen und die deshalb die HSP-Symptomatik auszulösen scheinen. Nun mag sich mancher Leser denken, dass das für das SPG15 gilt, aber für die meisten HSP'ler nicht von Interesse ist. Das glaube ich aber nicht. Ich habe bereits mehrfach über die Arbeiten des englischen HSP-Forschers
Dr. Evan Reid, Universität Cambridge, geschrieben. Dr. Reid arbeitet bei anderen SPGs genau an so genannten Wachstumsfaktoren, die für die oben beschriebenen Aktivitäten in unseren Zellen verantwortlich sind. Ich erinnere daher auch an dieser Stelle nochmals an ein Gespräch, das ich vor einigen Jahren mit Dr. Reid hatte. Er sagte mir damals, dass es doch sehr eigenartig sei, dass so viele, unterschiedliche Gene bei einer Mutation die sehr ähnlichen HSP-Symptome erzeugen. Er untersuche daher, ob es einen gemeinsamen "Verantwortlichen" gäbe. Für ihn können das Wachstumsfaktoren aus der BMP-Gruppe sein. Wir hatten dieses Thema bereits mit dem Aufsatz von Allen Bernhard (dort Seite 5) angesprochen. Zusammen mit seinem Team untersucht Dr. Reid die so genannte BMP-Signalwirkung. BMP steht für “bone morphogenic protein” (knochenmorphogenetisches Protein). Doch wirklich wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass sowohl Atlastin (SPG3A), Spastin (SPG4), Maspardin (SPG21), Spartin (SPG20), als auch NIPA1 (SPG6) anscheinend alle denselben Signalweg innerhalb des Motoneurons haben.

Aus diesem Grund sehe ich den eingestellten Artikel zum SPG15 als sehr wichtig für uns an. Er zeigt auch sehr klar auf, wie intensiv überall auf der Welt -also auch in Deutschland- für uns geforscht wird. Natürlich liefert die neue Erkenntnis noch keinen Therapieansatz für uns. Dafür muss weiterhin sehr intensiv geforscht werden. Und das geht nur, wenn wir uns selbst auch engagieren.

Herzliche Grüße
Rudi

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Von Fischen lernen
Göttinger Wissenschaftler finden Ursachen von Nervenkrankheit

11.09.2014 17:58 Uhr

Bei erblichen spastischen Paraplegien (englisch: hereditary spastic paraplegia, HSP) verkümmern die Fortsätze von Nervenzellen im Rückenmark, die Signale an die untere Hälfte des Körpers senden. Bereits bekannt sind bisher mehr als 50 Gene, die HSP auslösen können. Woran genau die Nerven der Erkrankten zugrunde gehen, ist jedoch noch nicht entschlüsselt.

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Zebrabärbling (Danio rerio): Defekte in ihren Eizellen ähneln denen beim Menschen.
© mpg


Göttingen. Jetzt hat ein internationales Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Dr. Roland Dosch vom Institut für Entwicklungsbiochemie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und dem Göttinger Zentrum für Molekulare Biowissenschaften (GZMB) herausgefunden:

Möglicherweise ist ein Defekt im Transport bestimmter Signalmoleküle im Inneren der Nervenzellen für eine Variante der Krankheit verantwortlich. Die Erkenntnisse beruhen auf Untersuchungen von gesunden und erkrankten Eizellen des Zebrafischs „Danio rerio“.

Ursprünglich wollte die Arbeitsgruppe untersuchen, wie das Gen „soufflé“ die Entwicklung von Eizellen des Zebrafisches steuert. Bereits bekannt war, dass „soufflé“ notwendig ist, damit Zellen Moleküle aus ihrer Umgebung in kleinen Membranbläschen, den Vesikeln, aufnehmen können. In diesen Vesikeln transportieren Zellen in ihrem Inneren zahlreiche Proteine hin und her.

„Wir haben nun entdeckt, dass „soufflé“ auch für den Transport in umgekehrter Richtung unentbehrlich ist“, sagt Dosch. Eizellen, denen „soufflé“ fehlte, konnten wichtige Proteine nicht mehr nach außen abgeben. Der Fehler lag bereits beim Beladen: Diese konnten sich nicht mehr von der zellulären Sortierstation abschnüren, wo sie ihre Fracht aufnehmen – sie hingen fest.

„Soufflé ist das Zebrafisch-Pendant zu Spastizin beim Menschen“

„Eizellen von einem Fisch haben eine ganze Menge mit einer neurodegenerativen Erkrankung beim Menschen gemeinsam“, sagt Dr. Amandine Gautier-Stein. „Soufflé ist das Zebrafisch-Pendant zu Spastizin beim Menschen. Und das ist eines der Gene, die die Krankheit HSP auslösen können.“ Auch bei HSP-Patienten, die ein defektes Spastizin-Gen besitzen, könnte mit den Vesikeln etwas nicht stimmen.

Die bei HSP-Patienten betroffenen Nervenzellen im Rückenmark haben ausgesprochen lange Fortsätze. Die Fortsätze sind auf Wachstumssignale angewiesen, damit sie funktionstüchtig bleiben. Bei gesunden Menschen sendet die Nervenzelle selbst diese Signale: Das ständige Weiterleiten von Reizen sorgt dafür, dass die Zelle fortwährend die notwendigen wachstumsfördernden Botenstoffe produziert und sie mit Vesikeln in die Fortsätze verschickt.

Bei Menschen, die an HSP erkrankt sind, funktioniert dies vermutlich nicht. Dadurch verlieren die Betroffenen langsam die Kontrolle über ihre Beine. Irgendwann sind sie vollständig spastisch gelähmt. Oft treten weitere Behinderungen auf.

Interessanterweise nutzen Nervenzellen für den Transport der Wachstumssignale genau den gleichen Vesikeltyp wie Zebrafisch-Eizellen, wenn diese Proteine nach draußen senden. Ein Defekt im Spastizin-Gen beim Menschen könne dazu führen, dass die Nervenzelle die Vesikel nicht mehr auf die Reise schicken kann, sagt Doktorand Palsamy Kanagaraj. Die Folge: Die Nervenzell-Fortsätze erhalten keine Wachstumssignale mehr. Sie sterben ab.


umg/chb
Quelle: http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Wissen/Wissen-vor-Ort/Goettinger-Wissenschaftler-finden-Ursachen-von-Nervenkrankheit