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Künstliche Befruchtung

BeitragVerfasst: Mi 3. Okt 2018, 18:33
von XJan
Hallo, ich bin Janina.
Bin ziemlich neu auf dieser Seite und möchte mich über die künstliche Befruchtung informieren.
Die jüngsten Geschwister von meinem Mann sind von Hsp betroffen. Die Krankheit ist bei allen ca Kindalter-Jugendalter aufgetreten. Mein Mann ist nun 28 Jahre und er hat die typischen Hsp Symptome nicht. Ich habe in einem Bericht gelesen, dass eine bestimmte Anzahl von Genen gefunden worden sind, wo die Mutation auftauchen könnte. Daneben gibt es aber auch Gene, wo die Mutation ebenfalls vorhanden sein kann, diese jedoch noch nicht geforscht worden sind. Aus diesem Grund kann in einem Gentest nur die "gefundenen Gene" untersucht werden. Wenn die Krankheit jedoch durch ein nicht geforschtes Gen verursacht wird, kann dies nicht anhand der Gentest festgestellt werden. Somit ist man laut Gentest nicht von Hsp betroffen. Das ist wahrscheinlich auch der Fall bei den Geschwistern.
Meine Frage lautet: Können die Ärzte bei einer künstlichen Befruchtung auch die Mutationen im nicht geforschen Gen entdecken und nur die "gesunden Gene" einpflanzen? (Info: Die künstliche Befruchtung im Falle einer Hsp kann man in England in Anspruch nehmen)

Liebe Grüße,
JANINA

Re: Künstliche Befruchtung

BeitragVerfasst: Do 4. Okt 2018, 09:39
von Rudi
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Hallo Janina,

zunächst ein herzliches Willkommen, hier bei uns in „Ge(h)n mit HSP“. Ich hoffe es sehr, dass du und auch die Familie deines Mannes bei uns gute Info und damit vor allem gute Hilfe bekommst.

Es ist ganz prima, dass du die Frage zur künstlichen Befruchtung gestellt hast. Da gibt es bei uns in Deutschland viele Missverständnisse. Die beruhen darauf, dass unsere Politiker dieses Verfahren, das den Namen
Präimplantationsdiagnostik oder kurz PID trägt, in Deutschland bei HSP verboten haben. Du sagst es ganz richtig, dass das in anderen Ländern nicht so ist. In England, in Belgien oder auch in den USA sowie in zahlreichen anderen Ländern ist das Verfahren bei HSP erlaubt.

Um deine Frage klar zu beantworten beschreibe ich kurz, was bei der Präimplantationsdiagnostik passiert. Bei der PID wird die Befruchtung einer Eizelle im Reagenzglas durchgeführt. Diese Zelle teilt sich nun. Am dritten Tag sind aus der befruchteten Zelle durch die Teilung sechs bis zehn Zellen entstanden. Jede dieser Zellen enthält den kompletten Gensatz. Der Mediziner nimmt nun eine dieser Zellen und untersucht, ob in den enthaltenen Genen in dieser Zelle die HSP-Mutation eines Elternteils vorhanden ist. Hier wird also ausschließlich kontrolliert, ob in den Genen dieser Zelle das mutierte Gen von Vater oder von Mutter enthalten ist. Sollte die untersuchte Zelle diese Mutation nicht haben, dann werden die befruchteten Zellen in die Gebärmutter gesetzt. Du erkennst, dass die HSP-Mutation von Vater oder Mutter bekannt sein muss. Nur danach kann gesucht werden. Es wird hier also kein „gesundes Gen“ eingepflanzt. Das geht auch gar nicht.

Ich habe nun eine Frage zu der Familie deines Mannes. Haben dort Ärzte feststellen können, ob es sich um eine dominante oder um eine rezessive Vererbung handelt? Das lässt sich häufig bereits im Gespräch klären. Der Hintergrund der Frage ist, dass die Vererbungsrisiken unterschiedlich sind. Bei dem dominanten Weg besteht immer ein Risiko von 50%. Bei dem rezessiven Weg besteht nur dann ein Risiko von 25%, wenn beide Elternteile Träger der Mutation sind. Träger bedeutet, dass das defekte Gen bei jedem einfach vorhanden ist, die HSP aber nicht ausgebrochen ist. Sobald ein Elternteil diese Mutation nicht in sich trägt, besteht kein Risiko. Das klingt jetzt vielleicht etwas kompliziert. Solltest du Fragen dazu haben, dann rufe mich an (07033-36353). In jedem Fall solltet ihr aber eine HSP-Sprechstunde an einer der hier erkennbaren
HSP-Ambulanzen aufsuchen und euch ganz gezielt über euer Vererbungsrisiko informieren lassen.

Leider machen bei uns auch Paare, die die PID genutzt haben, ein Geheimnis daraus. Das ist völlig unverständlich. Sie könnten Vorreiter sein; sie könnten aufzeigen, dass sie selbst etwas unternehmen, um die HSP zu besiegen. Denn ein Kind, das über die PID entstanden ist, das hat keine HSP-Mutation in den Genen. Kinder und Kindeskinder eines solchen Paares können also auch keine HSP mehr bekommen. Dem Leiden HSP ist ein Riegel vorgeschoben; die HSP ist in dieser Familie dauerhaft besiegt. Paare, die diesen Weg gegangen sind, die sind einen guten Weg für ihr Kind gegangen. Es wäre schön, wenn sie auch den Mut hätten, das zu zeigen. Es wäre schön, wenn sie mit ihren Erfahrungen anderen Paaren helfen, die eigene Entscheidung zu treffen.

Herzliche Grüße
Rudi




Re: Künstliche Befruchtung

BeitragVerfasst: Do 4. Okt 2018, 13:20
von XJan
Hallo.
Die Hsp-Mutation im Gen muss also bekannt sein, um mithilfe der PID ein Kind ohne hsp auf die Welt bringen zu können. Danke für die Antwort.
Leider wissen sie auch nicht, ob es sich um die rezessive Form oder dominante Form handelt. Das Problem ist ja, dass die Hsp-Mutation nicht im Gentest auftaucht, aber die Geschwister haben diese Anzeichen.
Aufjedenfall werden wir eine Beratung in Anspruch nehmen.
Kennen Sie vielleicht für den Fall eine andere Möglichkeit wie die PID?

Liebe Grüße,

Janina

Re: Künstliche Befruchtung

BeitragVerfasst: Do 4. Okt 2018, 14:20
von Rudi
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Hallo Jannina,

leider kenne ich auch keine andere Möglichkeit als die PID. Wenn ich sie kennen würde, dann gäbe es die medizinische Lösung für die HSP. Das ist noch nicht so weit, aber daran wird intensiv geforscht. Auch wir finanzieren und unterstützen mit unserem
Förderverein für HSP-Forschung solche Projekte. Diese Unterstützung müsste jedoch sehr viel stärker werden. Leider erhalten wir heute noch nicht die notwendige Menge an Spenden. Bedenke aber, dass auch kleine Spenden und Aktionen helfen. Aus vielem Kleinen wird auch etwas einmalig Großes.

Ich zeige hier für alle Leser noch einmal die wichtigen Unterstützungsmöglichkeiten. Nutzt sie bitte, damit die HSP-Forschungspflanze so gut wächst, wie wir alle es hoffen:


Nutzen wir alle bitte die große Kraft, die wir gemeinsam entfalten können!

Herzliche Grüße
Rudi




Re: Künstliche Befruchtung

BeitragVerfasst: Fr 5. Okt 2018, 20:28
von XJan
Hallo.
Ich habe noch eine allgemeine Frage, die garnicht zu der Überschrift passt.. Ist es möglich, Träger einer dominanten Form von Hsp zu sein, aber selbst die Krankheit nicht zu haben?

Re: Künstliche Befruchtung

BeitragVerfasst: Sa 6. Okt 2018, 10:12
von Rudi
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Hallo Jannina,

wie fast üblich bei HSP ist auch diese klare Frage von dir nicht eindeutig zu beantworten. Siehe bitte als Beispiel die dominante HSP-Form SPG4. Das ist die Form, die am Häufigsten vorkommt. Bei SPG4 ist es so, dass selbst innerhalb von Familien, wo also exakt die gleiche Mutation im SPG4-Gen vorliegt, die Symptome zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen können. Ich kenne solche Familien, in denen bei einem Mitglied die Krankheitszeichen im Alter von etwa 30 Jahren auftraten, sich bei einem anderen Mitglied kurz vor dem 60sten zeigten und bei einem dritten Mitglied -bei dem die Mutation ebenfalls nachgewiesen ist-, auch im Alter von 70 noch keine Zeichen sichtbar sind. Beim SPG4 gibt es auch Familien, bei denen die Kinder erste Symptome vor dem betroffenen Elternteil zeigen.

Natürlich versuchen es die HSP-Forscher herauszubekommen, wo bei solchen Patienten die Ursachen für die große Bandbreite im zeitlichen Auftreten der Symptome liegen könnte. Man glaubt, dass es hier so genannte "Modifier-Gene" geben könnte. Siehe hier einen
Beitrag in unserem Forum zu diesem Thema. Das dort beschriebene Projekt läuft in einer sehr großen internationalen Studie. Ergebnisse liegen aber leider noch nicht vor.

Du erkennst es, glaube ich, wie wichtig deine Fragen sind. Ich wiederhole es deshalb hier noch einmal, wir werden nur dann Antworten und Lösungen bekommen, wenn wir uns selbst für die Forschung engagieren.

Herzliche Grüße
Rudi