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Klassenreise in ein nicht behindertengerechtes Schullandheim

BeitragVerfasst: Di 23. Apr 2013, 17:03
von Katrin
Hallo!

Wir schulten Jacqueline 2009 in einer Integrationsklasse einer integrativen Grundschule ein. Jetzt ist sie im 2. Halbjahr der 4. Klasse, die Kinder fahren vom 29.5. bis 18.6. auf eine 3wöchige sog. Klassenkur nach Sylt / Vogelkoje.
Wir als Eltern der Klasse erfuhren auf einem Elternabend zu Schuljahresanfang davon, dass die Klasse dort seit kurz nach der Einschulung 2009 angemeldet ist, um überhaupt einen Platz dort zu bekommen. Daraufhin telefonierte ich mit dem Leiter des Heimes, der nichts davon wusste, dass ein Rollikind mitkommt. Er sagte mir, die Räume seien dafür nicht ausgestattet und zum Speisesaal im 1. OG führt nur eine absatzlose lange Treppe mit etwa 20 Stufen.
Daraufhin schrieb ich damals eine lange Mail an das Lehrerteam der Klasse, zeigte Möglichkeiten auf, wie Jacqueline sich dort bewegen könne, nannte eine Telefonnummer der dortigen Kurverwaltung, wo man Strandrollis mieten kann. 3 Lehrer des 4köpfigen Teams waren begeistert und dankbar für die Hinweise, von der Klassenlehrerin wurden wir abgespeist und beruhigt mit den Worten, es gäbe auch eine Rampe zum Speisesaal. Bei einem Vorbereitungstreffen Anfang April sahen wir Fotos von anderen Klassenkuren. Der Weg zum Strand führt über eine sehr schwer zu begehende Düne, mit Rolli eigentlich nicht möglich. Von einer Mutter, die ein Kind bei Jacqueline und ein weiteres in einer höheren Klasse hat, welches aber in Klasse 4 auch auf Sylt war, erfuhren wir, dass die angebliche Rampe zum Speisesaal nicht vorhanden ist.
Die Lehrer wussten von Anfang an, dass sie ein Kind mit starker Gehbehinderung, ab Klasse 2 mit Rolli, in der Klasse haben würden. Wie kann man dann so ein Reiseziel buchen?

Jetzt ist das "Kind in Brunnen gefallen", das Ziel nicht mehr änderbar. Wir wissen nicht, wie Jacqueline 3 Wochen lang dreimal täglich in den Speisesaal gelangt, ohne den Rolli immer mitzuschleppen und evtl. zu zerkratzen o.ä. Wir hoffen, sie wird dort nicht von den Aktivitäten ausgeschlossen. Beim Vorbereitungstreffen bekamen wir auf fast alle Fragen die Antwort "Das machen die Erzieher des Heimes, die kümmern sich um alles. Wir Lehrer sind nur Mitläufer."
Die Schulärztin sagte uns gestern (es läuft als Kur, deshalb der Schularzt), die Lehrer können und dürfen die Aufsichtspflicht nicht einfach komplett den Erziehern überlassen, auch, weil die nicht immer da sind. Das erfuhren wir, weil wir ausdrücklich sagten und bestätigt haben wollten, dass es für Jacqueline speziell an Strand und Wasser eine eigene Aufsichtsperson gibt, die sie an die Hand nimmt, um zum Wasser zu gelangen und sie auch als Nichtschwimmerin dort beaufsichtigt.

Wir sind besorgt und hoffen, dass Jacqueline nicht als trauriges enttäuschtes Integrationskind einer Integrationsklasse zurückkommt.
Mit der Klassenlehrerin vermeiden wir seit längerer Zeit direkte Gespräche, da sie Ansichten hat, die auch nicht immer vom restlichen Lehrerteam verstanden werden. Wir haben guten Kontakt mit anderen Lehrerinnen des Teams, die aber an der Situation nichts ändern können.
Wir hoffen, dass es ab Klasse 5 ab August an der weiterführenden Schule besser wird.

Wie denkt ihr darüber? Das ist aus meiner Sicht eine absolute Fehlplanung.



Gruß, Katrin

Re: Klassenreise in ein nicht behindertengerechtes Schulland

BeitragVerfasst: Di 23. Apr 2013, 20:14
von Doris & Hubertus
Hallo Katrin und auch Thorsten sowie Jacqueline,

das ist sehr ärgerlich, was euch da widerfährt!! :evil:
Das ist wirklich sehr unbedacht gewesen in der Planung der Klassenfahrt! Ich kann eure Wut und Sorge sehr verstehen!
Hubertus 2. Klasse fährt auch in den nächsten Wochen auf eine eintägige Klassenfahrt! Allerdings sorgte die Klassenlehrerin dafür, dass die Klasse im Wildpark Vosswinkel im Sauerland dann eine Tour machen wird, wo sie auf jeden Fall mit dem Rollstuhl auch überall hin gelangen können!
Man merkt an eurem Beitrag, dass die Inklusion in den Köpfen der LehrerInnen teils noch nicht angekommen ist! Anne hat mir auch schon mal so etwas ähnliches berichtet (da ging es mit der Klasse zum Schlittschuhlaufen)!

Gestern sprach mich z.B. eine Erzieherin der offenen Ganztagsgrundschule an, ob ich bereits den Integrations-Antrag für's kommende Schuljahr gestellt habe. Ich verneinte. Daraufhin bot sie mir an, dass sie mir die Unterlagen in Kopie geben werde (ich vermute das das morgen geschieht). Sie habe auch noch Informationen für mich bzgl. der Integrationskraft im Nachmittagsbereich und der Bezahlung dieser. Denn bislang sagte der Kreis Unna, Abteilung Arbeit und Soziales dazu, dass sie nur für die reinen Unterrichtszeiten die Integratiosnhilfe bezahlen, nicht für den Nachmittagsbereich! Laut Aussagen der Erzieherin gäbe es aber inzwischen Gerichtsurteile, die besagen, dass auch behinderte Kinder einen Anspruch auf einen OGGS-Platz haben.
Also werde ich natürlich diesen Tipp dankend annehmen und auch durchsetzen, wenn nötig! Ich bin manchmal - so wie heute am Konferenznachmittag - ganz schön am Rödeln und Grätschen, dass ich Hubertus punkt 14 Uhr aus der OGGS abgeholt und betreut weiß! Habe deswegen bereits 2x den familienunterstützenden Dienst in Anspruch genommen! Aber eigentlich ist der ja dafür da, dass ich mir mal eine Auszeit gönnen kann und nicht, um weiter zu rödeln!

Vielleicht schreibt ihr die Anne mal direkt an, um ihre Erfahrungen dazu zu erfahren??

Viele Grüße von der Ruhr an die Alster/Elbe!
Doris & Hubertus

Re: Klassenreise in ein nicht behindertengerechtes Schulland

BeitragVerfasst: Fr 26. Apr 2013, 10:28
von Hinzes
Hallo Ihr,

Also ich kenne das Problem mit den Schulen auch sehr genau.
Emma benötigt zwar (noch?) keinen Rolli, ihr Gehen hat sich aber enorm verschlechtert in den letzten
Monaten und sie hat häufig starke Schmerzen im Rücken und zum Teil auch in den Beinen, weshalb sie
dann natürlich nicht mehr so mobil ist wie andere Kinder.
Mehrere Mitteilungsversuche gegenüber den Lehrern schlugen fehl, es kamen auch öfter Ausreden:
die Lehrer hätten wenig Zeit, die betreffenden Lehrer sind krank usw.
Zeitweilig musste Emma Musaril in recht hoher Dosierung einnehmen. Um Unfälle u. ä. zu ver-
meiden hatte ich dies ihrer Klassenlehrerin sofort mitgeteilt, gekümmert hat man sich
dennoch nicht.
Da im nächsten Schuljahr eine größere Klassenreise ansteht machen wir uns da als Eltern auch
jetzt schon Gedanken. An "schlechten" Tagen schafft sie es manchmal nur noch eine halbe Stunde
ohne Schmerzen zu gehen. Privat gestalten wir unsere Freizeit dann dementsprechend, aber
ob die Schule das auch macht :?:

Liebe Grüße

Nicole

Re: Klassenreise in ein nicht behindertengerechtes Schulland

BeitragVerfasst: Fr 26. Apr 2013, 22:27
von Anne
hallo zusammen,
ich habe nun eine lange zeit damit verbracht eine antwort zu schreiben...schicke es ab und alles ist weg !!! ahhh!
katrin, vielleicht rufts du mich einfach mal an, oder schickst mir schonmal einen link wohin deine tochter fährt. man kann sich sogenannte strandmobile ordern, da könnte ich etwas für euch erreichen.

lg
anne

Re: Klassenreise in ein nicht behindertengerechtes Schulland

BeitragVerfasst: Mo 29. Apr 2013, 08:52
von Katrin
Hallo Anne!

Danke für dein Hilfsangebot.
In der erwähnten Mail ans Lehrerteam erwähnte ich auch die Telefonnummer der Kurverwaltung Sylt. In einem Telefonat mit der (unmöglichen) Klassenlehrerin vor einer Woche (sie rief mich an), sagte sie mir, sie hätte sich gewünscht, ich hätte bei der Kurverwaltung einen Strandrolli reserviert. Sie hat es mir gegenüber aber nie gesagt. Als ich fragte, warum sie es nicht längst gemacht hat, sagte sie, das ginge nicht, weil der Schularzt erst vor einer Woche sein OK gegeben hat. Ein Widerspruch in sich. Ich bin auch nicht bereit, den Strandrolli zu mieten, denn eine Rechnung auf meinen Namen, genutzt von der Schule, möchte ich vermeiden.
Sie fragte mich dann später im Gespräch, ob wir uns nicht überlegen wollen, Jacqueline in Hamburg zu lassen, damit wir als Eltern beruhigter sind. Darauf hatte ich innerlich nur gewartet und sagte "Das Integrationskind einer Integrationsklasse zu Hause lassen, die einfachste Lösung, aber nicht mit uns."
Das Gespräch ging weiter, ich lenkte es immer wieder auf die angebliche Rampe zum Speisesaal, ich glaube nicht, dass es sie gibt. Ich meinte zu ihr, eine Rampe ins 1. OG müsste entweder sehr lang oder sehr steil sein, genau konnte sie es mir nicht beantworten, sie sprach aber mehrfach von "Vertrauen Sie mir doch." Ich sagte ihr, der Heimleiter hätte mir am Telefon gesagt, er hätte keine Rampe zum Speisesaal. Sie antwortete darauf, er dürfe es nicht sagen, denn dann hätte er ganze Rolliklassen vor Ort. Ich meinte dazu, er muss es ja nicht in ganz Hamburg bekanntgeben, aber einer besorgten Mutter am Telefon dürfe er es bestimmt sagen.

Später lenkte ich das Gespräch auf Jacquelines Mathe-Arbeitsheft, wo wir als Eltern viele Fehler drin fanden. Auf einer Seite mit 20 Aufgaben verbesserte ich mit ihr 16 Fehler. Ich fragte, warum die Richtigkeit der Ergebnisse nicht überprüft wird. Als Antwort hörte ich "Der Weg ist das Ziel. Die Kinder sollen Spass am Rechnen haben und es ohne Tränen erledigen." Meine Antwort: "Der Weg ist das Ziel, dass die Aufgaben richtig sind. Wo Fehler sind, kann der Lehrer gerne zum Kind sagen, es soll die Aufgabe nochmal überprüfen. Ab Klasse 5 werden Arbeiten geschrieben und ein 6er-Zeugnis in Klasse 10 hilft nicht bei der Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz." Schweigen der Lehrerin.
Als ihr dann die Argumente ausgingen, meinte sie, sie sei christlich erzogen und das sei für Integration sehr wichtig. Ich sagte, dass mir ihre Gläubigkeit ganz egal ist und ich sie sowieso seit längerem "gefressen" hätte. Das Telefonat trug dazu bei, dass sie mit fast jedem Satz noch tiefer in Keller rutschte.

Später rief Thorsten mich an, dass sie bei ihm angerufen hätte, wie ich denn so (unfreundlich und direkt) sein könne, er antwortete darauf, dass ich doch Recht hätte, woraufhin sie schwieg. Sie wollte mit ihm die Frage klären, wie denn Jacquelines Koffer zum Bahnhof kommt. Sie schlug vor, ihn einen Tag vorher per Fahrdienst zur Schule mitzunehmen, "irgendjemand" würde ihn dann schon mitnehmen. Natürlich lehnte er das ab, denn mit Pech hat Jacqueline keinen Koffer auf Sylt. Er meint, er wird es schon irgendwie mit 2 Rollis und Koffer mit der U-Bahn schaffen. Ich werde noch den Duschhocker zur Fernbahn bringen, damit sie überhaupt die Möglichkeit hat, sich an Waschbecken und in der Dusche zu setzen.

Wir freuen uns schon auf den Lehrerwechsel und hoffen, dass dann alles besser wird.

Gruß, Katrin