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Quälerei im tiefen Kies und zu hohe Briefkästen

BeitragVerfasst: So 29. Jun 2014, 09:56
von Rudi
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Hallo zusammen,

unten ein schöner Bericht zu einem Training, das für viele unter uns sinnvoll und hilfreich ist. Es geht um das Rollstuhltraining. Der Bericht unten beschreibt ein solches Training in Geisenfeld, dem Wohnort der Steinbergers. Natürlich war es für Hedwig da so etwas wie eine Verpflichtung, an diesem Training teilzunehmen.

Falls Leser dieser Seite ein Interesse daran haben, selbst einmal ein solches Training mitzumachen, dann meldet euch bitte. Wir können es dann versuchen, ein
spezielles Rollstuhltraining für HSP-Betroffene zu organisieren.

Herzliche Grüße
Rudi
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27.06.2014

Quälerei im tiefen Kies und zu hohe Briefkästen

Geisenfeld (GZ) Wie fühlt sich ein Rollstuhlfahrer oder Rollatorlenker? Und auf welche Probleme stößt er? Antwort darauf gab am Donnerstag eine besondere „Rallye“ durch das Stadtzentrum. Das Fazit der Teilnehmer: Es gibt viele Hürden, dafür fehlt es an geeigneten, leicht zugänglichen Toiletten.

Ohne Hilfe gibt es im tiefen Kies der Wege am Friedhof für Rollstuhlfahrer kein Vorwärtskommen. Dies erlebten Anna Halmheu (links) und Edeltraud Günther bei ihrer Erkundungstour - Foto: Zurek

Auf Einladung von Seniorenreferentin Gabriele Bachhuber (CSU) fanden sich zu dem Projekt zehn Probanden auf dem Parkplatz an der Grabengasse ein. Das Programm, das sie erwartete, war ebenso straff wie durchdacht: In drei Gruppen mit je einem Rollstuhlfahrer, einem Rollatorschieber und einem Protokollanten sollen sie die Stadt erkunden, wobei unterschiedliche Aufgaben vom Arztbesuch bis zum Einkauf zu absolvieren waren.

„Oh Mann, wenn man so ein Ding braucht, darf man keine hellen Hosen anziehen“, meint einer der Teilnehmer, der bereits beim Versuch die Gehhilfe aus dem Auto zu holen, Probleme hat. Die Rollstühle stehen wenigstens schon aufgebaut bereit. Schnell sind die Teams zusammengestellt, die jeweiligen Ziele gesteckt.

„Los geht’s“ sagt die Organisatorin, der Hans Schranner als Fraktionskollege zur Seite steht. Doch schon zeigt sich: So einfach ist das nicht. Die kleinen Gummiräder tun sich schwer, im Kies Anlauf zu nehmen. Wer sich wie Edeltraud Günther einen Rollstuhl auserkoren hat, braucht Anschubhilfe. Auch auf der Teerstraße ist das Rangieren nicht leicht. Der Bürgersteig ist oft schmal und neigt sich zur Straße hin. Da ist Geschick gefragt. Und Kraft. „Puh, morgen hab ich bestimmt Muskelkater in Armen und Schultern“, befürchtet die Lehrerin, deren Hände vom ständigen Antreiben der Räder ebenfalls strapaziert werden. Die beiden Rollstuhlfahrerinnen Anna Heidersberger und Hedwig Steinberger haben vorgesorgt. Sie tragen Handschuhe.
Über eine Stunde lang sind die Gruppen im Ort unterwegs. Sie quälen sich durch Kiesflächen am Friedhof („Das ist wie Fahren im Schnee“, sagt auch eine Mutter mit Kinderwagen) und über das holprige Kopfsteinpflaster im Zentrum, bleiben an Bordsteinkanten hängen und versuchen vergeblich, zu hoch angebrachte Briefkästen oder Klingeln zu erreichen (eine löbliche Ausnahme: die Polizei).

Am Ende sind alle Beteiligten geschafft und froh, bei einem kühlen Getränk im Sinnesgarten verschnaufen zu können, bevor sie kritisch Bilanz ziehen. Ein besonderes Manko ist allen aufgefallen: Es gibt keine leicht zugänglichen, rollstuhlgerechten Toiletten. Lediglich das neue Pfarrheim ist hier vorbildlich, aber „nicht immer offen“, wie Steinberger weiß. Ihr Tipp: Ein Euroschloss, das Behinderten über einen Spezialschlüssel jederzeit den Zugang ermöglicht. „Das funktioniert für alle entsprechend ausgerüsteten Sanitäranlagen in ganz Deutschland und Österreich“, so die an HSP (Hereditäre spastische Spinalparalyse) erkrankte Rollstuhlfahrerin.

„Ein großes Hindernis sind auch die Treppen“, erklärt Heidersberger, die wegen einer Querschnittslähmung alltäglich mit derlei Hürden konfrontiert ist. Keine Arzt- oder Zahnarztpraxis, kaum ein Einzelhandelsgeschäft oder Gastronomiebetrieb die frei zugänglich wären. Und da, wo man vielleicht noch hinkäme, lauert die nächste Tücke: schwere Türen – wie etwa die zum Rathaus. „Es gibt immer wieder freundliche Menschen, die helfen“, betont Steinberger. Aber es sei eben im Sinne eines selbstbestimmten Lebens schöner, wenn man darauf gar nicht erst angewiesen sei.

Nach dem Selbstversuch können die Teilnehmer das sehr gut nachempfinden. Wie Bachhuber es formuliert, wollen sie ihre Aktion jedoch nicht „als Schuldzuweisung, sondern als Sensibilisierung für die Problematik“ verstanden wissen. Und sie wissen auch: Schnelle Lösungen sind für die Probleme, die es so ähnlich allerorten gibt, nicht machbar. Ein Vorschlag soll allerdings in den Stadtrat getragen werden: Man könne doch im Bereich des Kopfsteinpflasters für Rollstuhlfahrer, Kinderwagenlenker und Stöckelschuhträgerinnen gleichermaßen angenehme Gehbereiche schaffen, indem man auf etwa einem Meter Breite die Steine abschleife und die Fugen verfülle – so der Wunsch aller Beteiligten.


Von Maggie Zurek

Quelle: http://www.donaukurier.de/lokales/pfaff ... 00,2931303