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Der Traum vom Rückwärtssalto mit HSP

BeitragVerfasst: So 5. Okt 2014, 10:08
von Rudi
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Hallo zusammen,

mit diesem Beitrag soll ein sehr großes Kompliment an Philipp Cierpka ausgesprochen werden. Er hat einen imponierenden Weg gefunden, wie er trotz HSP, oder besser gesagt, wie er mit HSP ein sehr ungewöhnliches, sehr sportliches Hobby betreibt. Wir HSP'ler hier in "Ge(h)n mit HSP" wünschen ihm viel Freude bei seinem Sport!

Herzliche Grüße
Rudi
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Magazin der Steyler Missionare



Der Traum vom Rückwärtssalto

Skaten im Rollstuhl – geht das überhaupt? Und ob. David Lebuser ist sogar Weltmeister in dieser Disziplin des Rollstuhlsports. Und er organisiert Workshops für andere Rollstuhlfahrer. Sein Mottot: „Wer im Skatepark zurecht kommt, den haut auch im Alltag so schnell nichts um."

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© Michael Englert
Philipp Cierpka sitzt erst seit einem Jahr im Rollstuhl, hat aber schon einige Tricks mit seiner Spezialanfertigung drauf
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Philipp Cierpka hat einen Traum: Ein Backflip, ein Rückwärtssalto. Nach einer steilen und schnellen Anfahrt von einer Rampe in die Luft geschossen werden und dann fliegen. Der 23-Jährige kennt dieses Gefühl. Er hat einen solchen Trick schon einmal mit dem BMX-Rad gemacht. Auch mit einem Scooter, einem Roller, hat er sich das schon getraut. Doch das war, bevor die Krankheit aufgetreten ist. Wie sein früherer Lieblingssport BMX wird auch diese Krankheit mit drei Buchstaben abgekürzt: HSP – Hereditäre Spastische Spinalparalyse. Eine genetisch bedingte Erkrankung der Nervenzellen im Rückenmark. Seit einem Jahr ist sie bei Cierpka derart ausgeprägt, dass er im Rollstuhl sitzt.

Sein Hobby verfolgt er weiter. Statt mit einem BMX-Rad ist er jetzt mit seinem Rollstuhl in den Skateparks unterwegs. So wie an diesem Sonntag in der Kesselschmiede in Kassel. David Lebuser und der Deutsche Rollstuhlsportverband haben zum Wheelchair MX-Workshop eingeladen. Und gut 20 Rollstuhlfahrer sind gekommen. Unter ihnen auch Cierpka. Sein neongrüner Spezialstuhl fällt auf. Er hat Federungen und ist verstärkt. Die Speichen in den Felgen sind von BMX-Rädern. „Mit dem kann man eigentlich alles machen. Am liebsten bretter ich damit Treppen runter“, sagt Cierpka und legt dabei seine Schutzausrüstung an.


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© Michael Englert...........
Solch kleine Rampen sind für Phillip Cierpka keine Hürde mehr

Weltmeister einer jungen Sportart
Dazu gehören Arm- und Ellenbogenschoner, Knieschützer, Schulter-, Brust- und Rückenprotektoren so wie ein Helm, wie ihn auch Motocross-Fahrer tragen. Cierpka zählt zu den Teilnehmern, die schon einige Tricks drauf haben. Vor allem hat der junge Mann mit den raspelkurzen Haaren keine Angst. „Beim letzten Workshop hier in Kassel hat er sich fast drei Meter hinunter gestürzt“, sagt sein Vater Uwe. Da blieb auch ihm zunächst die Luft weg.

Die meisten anderen beim Workshop lassen es ruhiger angehen. Einige sind auch zum ersten Mal hier und nähern sich nur vorsichtig an die vielen Schrägen und Rampen im Park. „Es geht darum, Spaß zu haben. Jeder macht nur das, was er sich zutraut“, sagt David Lebuser, bevor er die erste Übung vorstellt. Lebuser leitet den Workshop. Der Dortmunder ist Weltmeister im Skaten mit dem Rollstuhl. Er gilt als Pionier des Rollstuhlskatens in Deutschland. Inzwischen gibt es an immer mehr Spots – so nennen die Skater die Orte, an denen sie fahren – Rollstuhlfahrer, die den Sport für sich entdeckt haben.

Beim Workshop ist das Alter der Teilnehmer bunt gemischt. Erwachsene probieren sich aus und auch Kinder versuchen, heil über die Schrägen zu kommen. Den Anfängern zeigt Lebuser, wie es geht. „Wir fangen mit einer einfach Rechtskurve an“, erklärt und treibt seinen Rollstuhl mit ein paar kräftigen Armzügen voran. Er fährt auf eine Schräge zu. „Ihr müsst die Kurve nur einleiten, den Rest macht dann der Rollstuhl“, sagt Lebuser. Was bei ihm so leicht aussieht, ist für andere schon eine kleine Mutprobe. Wer hier Hilfe benötigt, bekommt sie auch. Von David Lebuser oder den Helfern des Deutschen Rollstuhlsportverbands.


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© Michael Englert...........
David Lebuser gilt als Pionier des Rollstuhlsports

Hilfe für den Alltag
Skaten im Rollstuhl – muss das wirklich sein? Einige Eltern von am Workshop teilnehmenden Kinder geben zu, dass sie zunächst skeptisch waren, sich Sorgen gemacht haben. Doch die sind schnell verflogen. Denn wer sich beim Workshop umblickt, kann den Spaß in den Gesichtern der Teilnehmer ablesen. „Das ist unser Hauptziel: Wir wollen zeigen, dass Rollstuhlfahren auch Spaß machen kann“, sagt Lebuser. Aber das ist es nicht allein. Viele Übungen helfen den Kindern und Erwachsenen auch im Alltag. Denn immer noch sind die Städte voller Barrieren. „Wer hier im Skatepark zurecht kommt, den haut auch auf der Straße so schnell nichts um“, sagt Lebuser.

Philipp Cierpka ist ein gutes Beispiel dafür. Er sieht die Barrieren unterwegs inzwischen nicht mehr als unüberwindbare Hindernisse an. Im Gegenteil. Treppen und Stufen sind für ihn Herausforderungen, die es zu überwinden gilt. Ihm kann es dabei nicht wild genug zu gehen. Sein Vorbild ist Aaron Fotheringham. Ein Amerikaner, der wirklich total verrückte Sachen mit seinem Rollstuhl macht. Er tritt in Shows auf, macht Rückwärtssaltos über extrem hohe Rampen, mit Feuerwerk am Stuhl. „Das würde ich auch gerne mal machen“, sagt Philipp, setzt sich seinen Helm auf und rollt in die Skatehalle. Ein kurzer Blick. Wo ist noch mal die Stufe? Vier, fünf Armzüge und er nimmt Fahrt auf. Dann fliegt sein Stuhl über die Kante. Wer das sieht, versteht einen Satz des Amerikaners Fotheringham besser. Er hat einmal gesagt: „Ich sitze nicht im Rollstuhl, ich fahre ihn!“ So sieht es auch David Lebuser. Skaten im Rollstuhl ist für ihn die normalste Sache der Welt. „Ich sage immer, ich gehe Skaten“, sagt Lebuser und fügt hinzu: „Das Sportgerät ist dabei zweitrangig!“



Jürgen Bröker
Quelle: http://www.stadtgottes.de/stago/aktuell ... ebuser.php