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Fragen und Antworten zum Vortrag von Herrn Dr. Regensburger

BeitragVerfasst: Do 9. Jul 2020, 07:05
von Rudi
Fragen an Herrn Dr. Regensburger und seine Antworten
zum Online-Vortrag beim HSP-Info-Tag 2020 in Bayern



Therapie von Spastik und
Schmerzen im Alltag
..........................................Zum Video

........................................................................Die Fragen und Antworten können hier als PDF geladen werden


Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,

ich bedanke mich für das Interesse am Vortrag und für die gestellten Fragen. Ich möchte betonen, dass im Rahmen des Online-Forums und auf der Grundlage der kurzen Fragen nur allgemeine Antworten gegeben werden können. Für eine individuelle Beurteilung ist die Vorstellung in Ihrer behandelnden Neurologie-Praxis bzw. ihrer HSP-Ambulanz zu empfehlen.





  1. Sie sprechen zu Beginn Ihres Vortrags unter der Überschrift Spastik unter anderem den Klonus an. Mein Neurologe meint auch, dass ich das habe. Bisher war das aber immer als restless legs bezeichnet worden. Ist das das Gleiche oder gibt es da Unterschiede an denen ich erkennen kann, was ich habe?

    Der Klonus und das Restless-Legs-Syndrom unterscheiden sich ganz grundlegend: Klonus ist eine rhythmische, unwillkürliche Muskelaktivierung, verursacht durch eine Pyramidenbahnstörung, ist also regelhaft Teil einer spastischen Bewegungsstörung. Der häufigste Klonus bei HSP ist der Fußklonus: beim Anheben bzw. Aufstützen des Vorfußes schlägt dieser rhythmisch wiederkehrend nach unten. Weiteres Beispiel ist der Klonus des Oberschenkel-Muskels, wo es bei Berührung bzw. Testung des Reflexes am Knie zu rhythmischem Durchstrecken des Beins im Kniegelenk kommt. Beim Restless-Legs-Syndrom (RLS) handelt es sich um eine eigene Art einer Bewegungsstörung. Es besteht ein Bewegungsdrang der Beine, ggf. mit Missempfindungen, welcher in Ruhesituationen verstärkt ist, v.a. abends auftritt und sich durch Bewegung bessert. Ob das RLS tatsächlich gehäuft bei HSP-Patienten auftritt, ist umstritten, da eine klare Unterscheidung zwischen Klonus und RLS nur durch genaues Befragen möglich ist. Die Symptome eines echten RLS sind jedoch meist gut behandelbar, so dass im Zweifel auch bei HSP-Patienten mit RLS-Beschwerden ein Behandlungsversuch diskutiert werden sollte. Sprechen Sie Ihre Neurologie-Praxis bzw. HSP-Ambulanz hierauf an.


  2. Ich habe Probleme morgens beim Aufstehen. Ich bekomme meine Beine nur sehr mühsam (beinahe nur mit Gewalt) in die angewinkelte Sitzposition auf der Bettkante. Mein Aufstehen in den Stand ist daher erst nach einigen Minuten möglich. Ich nehme morgens, mittags und abends jeweils 10mg Lioresal. Sollte ich da besser mehr nehmen?

    Diese Probleme können einerseits in der Physiotherapie „nachgespielt“ werden und ggf. mit therapeutischer Anleitung zu verbessern. Die Dosierung von Lioresal-Tabletten (Wirkstoff: Baclofen) ist sehr unterschiedlich zwischen verschiedenen Personen und muss daher individuell von den Behandelnden auf der Grundlage der Angaben des Betroffenen angepasst werden. Hier kann auch eine veränderte Verteilung im Tagesverlauf oder die testweise Einnahme eines anderen Medikamentes gegen die Spastik diskutiert werden. Bei sehr vielen Betroffenen ist die Spastik-bedingte Muskelsteifigkeit morgens bzw. nach längerer Ruhe sehr stark ausgeprägt und wird dann durch Bewegung gebessert.


  3. Ich hatte über viele Jahre immer wieder starke Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule unten. Mein Arzt schlug mir eine OP vor. Ich hatte zum Glück gerade einen neuen Physiotherapeuten bekommen. Der meinte, dass die Schmerzen durch meine HSP-Fehlstellung kommen würden. Er hat mich dann anders behandelt als sein Kollege. Bereits nach einem Monat waren die Schmerzen weg. Und das ganz ohne OP. Kann die Krankengymnastik wirklich allein so wirksam gegen Schmerzen sein?

    Ihre Erfahrung ist kein Einzelfall – viele HSP-Patienten berichten Schmerzen der Lendenwirbelsäule. Häufig sind diese durch Veränderung von Haltung und Gang verursacht und können positiv durch Physiotherapie und ggf. antispastischer Medikamententherapie und Hilfsmittelversorgung beeinflusst werden. Hier kann auch die intensivierte Therapie im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme nachhaltige positive Effekte erzielen. Die Empfehlung einer Operation stützt sich zusätzlich auf den Bildgebungsbefund, der immer auch mit Ihrer Neurologie-Praxis bzw. Ihrer HSP-Ambulanz besprochen werden sollte.


  4. Nach langem Krankenhausaufenthalt und fehlender Physiotherapie leidet mein Mann (80) unter einer schweren schmerzhaften Kniegelenkkontraktur, so dass der Transfer Rollstuhl u zurück ein Riesenproblem ist. Was können wir tun? Nützt Botox da noch etwas, ist OP nötig? Eine OP lehnt mein Mann in seinem Alter ab. Welche Möglichkeiten gibt es, damit wenigstens der Transfer wieder klappt. Stehen geht überhaupt nicht mehr. Welche Physio empfehlen Sie da?

    Es gibt verschiedene Schweregrade von Kontrakturen (Gelenk-Versteifungen), die auch unterschiedlich behandelt werden. Ein wichtiges Ziel ist zunächst die Vermeidung einer weiteren Zunahme der Kontraktur. Basis der Therapie ist wiederum Physiotherapie, zudem sollte das betroffene Körperteil auch im Alltag in bestmöglicher schmerzfreier Dehnung regelmäßig gelagert werden. Je nach Einzelfall kommen zusätzlich Schienenversorgung, Botulinumtoxin-Therapie und / oder operative Maßnahmen (Neuroorthopädie) in Betracht, was jedoch mit Ihrer Neurologie-Praxis oder Ihrer HSP-Ambulanz besprochen werden sollte.


  5. Sie sagen, dass wir 2 bis 3 mal wöchentlich Krankengymnastik jeweils 30 oder 60 Minuten machen sollen. Meine Ärztin gibt mir für die Menge aber kein Rezept. Ist die Menge, die Sie angeben, irgendwo gesetzlich festgeschrieben? Ich würde gerne so intensiv arbeiten. Ich bekomme 12 Behandlungen im Quartal. Bei Ihnen sind das aber 24 bis 36. Ich bin bei der AOK versichert. Kann das der Grund sein, dass ich so wenig bekomme?

    Grundsätzlich sind die Heilmittel wie Physiotherapie nur im medizinisch notwendigen Umfang von ärztlicher Seite zu verordnen. So benötigen HSP-Patienten mit geringen Symptomen keine oder nur wenig Physiotherapie, wenn sie Übungen und Sport auch ohne Therapeuten bzw. im Rahmen von Gruppenbehandlungen durchführen können. Meist ist das aber nicht ausreichend und bei stark ausgeprägten Symptomen ist der Bedarf höher. Daher wurde für die Diagnose HSP „besonderer Verordnungsbedarf“ festgestellt, so dass bei medizinischer Notwendigkeit auch mehr Physiotherapie-Einheiten verordnet werden können. Abhängig von der Krankenkasse ist hierfür ggf. jedoch eine vorherige Genehmigung mit ärztlicher Begründung einzuholen. Besprechen Sie dies mit Ihrer Neurologie-Praxis bzw. HSP-Ambulanz.


  6. Sie sprechen Fampyra an. Sie sagen, dass das Medikamnet bei HSP nicht zugelassen ist und beantragt werden muss. Die Krankenkassen lehnen das manchmal ab. Im Forum Ge(h)n mit HSP hat unser Kollege Rally geschrieben, dass er einen Prozess wegen Fampyra gegen seine Kasse gewonnen hat (Aktenzeichen S 11 KR 417/15 des Sozialgerichts Frankfurt. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig). Hier ist der Beitrag https://gehn-mit-hsp.de/viewtopic.php?f ... 9&start=10 zu finden. Vielleicht ist das Urteil für Sie neu und hilft nun.

    Vielen Dank für den Hinweis auf das Urteil. Es wird für die Argumentation bei den Kassen durchaus hilfreich sein, aber natürlich nicht bedeuten, dass nun jeder Kostenübernahme-Antrag direkt genehmigt wird.


  7. Können auch Schüssler Salze 5 oder 7 bei der HSP-Spastik helfen?

    Die Wirkstoffe der Schüßler-Salze sind in solcher Weise verdünnt, dass aus schulmedizinischer Sicht keine Wirkung zu erwarten ist und auch bislang nicht belastbar nachgewiesen werden konnte. Eine schädliche Wirkung ist dagegen nicht zu erwarten, besprechen Sie die Symptome und die Therapie aber immer auch mit Ihrer Neurologie-Praxis bzw. Ihrer HSP-Ambulanz.


  8. Unser Verein, mit dem wir die HSP-Forschung unterstützen, hat doch auch das Projekt zum Stoffwechsel bei Ihnen unterstützt. Sie haben dazu nichts gesagt. Gibt es dort keine Neuigkeiten?

    Wie im letzten Zwischenbericht von 02/2020 vermerkt, befinden wir uns derzeit noch in der Laboruntersuchungs- und Auswertungsphase, rechnen bis Ende 2020 mit Ergebnissen und werden dann gerne berichten. Die erhobenen Routineparameter wurden jeweils direkt an die Teilnehmer/innen zurückgemeldet. Unser Projekt zielt auf neue, nicht validierte Stoffwechsel-Werte ab, die erst in einer großen gemeinsamen Auswertung untersucht werden können.


  9. Keine Fragen, aber ein aufrichtiges Dankeschön für die so ausführlichen Stellungnahmen zu einzelnen Bereichen.

    Herzlichen Dank!


  10. Was kann ich erfolgversprechend machen, wenn meine Krankenkasse plötzlich nicht mehr bereit ist, das Botox zu bezahlen? Hat mehrere Jahre gezahlt und hat sich dann plötzlich geweigert. Der Weg vor Gericht dauert leider viel zu lang.

    Leider machen auch wir die Erfahrung, dass sich trotz sehr überzeugenden Argumenten (die Sie am besten mit einer HSP-Ambulanz abgleichen) in manchen Fällen erst durch rechtliche Schritte etwas bewegt oder letztlich ein Urteil abgewartet werden muss.


  11. Ich habe eine SPG5-Mutation. Sie sagen zu SPG5 leider nichts. Es gab vor einiger Zeit eine Studie mit einem Medikament, das den Cholesterinspiegel senken sollte. Das sollte auch bei SPG5 helfen. Hat es aber nicht. Dann gab es zum SPG5 eine Arbeit zwischen der Uniklinik Tübingen und CurVac (das ist die Firma, die einen Impfstoff gegen Corona entwickelt). Kann sich aus der Arbeit der beiden ein Medikament für SPG5 ergeben?

    Die Behandlung von Spastik und Schmerzen bei HSP unterscheidet sich nicht grundsätzlich zwischen den einzelnen genetischen Typen. Leider war die von Ihnen angesprochene Behandlungsstrategie mit einem sogenannten Statin bei SPG5-Patienten nicht schlüssig auf Wirksamkeit zu untersuchen. Allerdings ist in der Studiendatenbank ClinicalTrials eine derzeit in China laufende Studie bei SPG5 mit einem anderen Cholesterinsenker gelistet. Die Therapie, die die Tübinger Kollegen zusammen mit CureVac publiziert haben, wurde bislang nur in SPG5-Mäusen angewendet und hier ist eine Übertragung auf den Menschen eine große Hürde. Bei spezifischen Fragen wenden Sie sich am besten direkt dorthin. Jedenfalls machen uns sowohl diese Ergebnisse als auch die Zulassung von genetisch ausgerichteten Therapien bei anderen neurologischen Erkrankungen Hoffnung für die Behandlung der HSP.


  12. Ich habe eine SPG7-Mutation. Ich kann nicht mehr richtig sprechen, nicht mehr richtig laufen und nicht mehr richtig sehen. Zum SPG7 wird bei Ihnen aber gar nichts gesagt. Gibt es gar keine Hoffnung für mich?

    Die Behandlung von Spastik und Schmerzen bei HSP unterscheidet sich nicht grundsätzlich zwischen den einzelnen genetischen Typen. Bei dem zusätzlichen Symptom einer Sprachstörung ist Logopädie zu empfehlen. Leider gibt es bislang für keine der genetischen Typen der HSP eine nachgewiesenermaßen wirksame ursächliche Therapie. Allerdings wird auch die SPG7 von mehreren Forschungsgruppen in Deutschland und im Ausland beforscht, so z.B. anhand eines Mausmodells der SPG7 (https://www.treathsp.net/treathsp-forschungsprojekte/therapeutische-ansaetze-fuer-die-spg7). Auch das Team der HSP-Ambulanz in Erlangen ist besonders an der SPG7 interessiert, so dass Patienten die Forschung die Forschung unterstützen können, wenn Sie sich in unserer HSP-Ambulanz bzw. einer anderen TreatHSP-Ambulanz vorstellen.


  13. Drei Fragen einer Person, die zusammenhängend gesehen werden müssen:

    • Meine Schmerzen sind nachts und da so 2-3x, etwa alle 3 Stunden, dauern so eine halbe Stunde, manchmal auch länger, die Schmerzen sind links im Ober- und auch im äußeren Wadenbereich. Sie sind einschießend, das Bein zieht sich zusammen und es ist krampfartig. Wenn ich das Bein ausstrecken kann (mit Hilfe vom rechten Bein) wird es manchmal besser. Eine Besserung ergibt sich auch wenn ich mit dem Rollstuhl zum WC fahre (die Blase ist bei den heftigen Schmerzen inkontinenter) und versuche aufzustehen. Weiters kommen dann Zuckungen der Beine. Nach vielen Schmerzmitteln (Lyrica, Adamon, und auch Botox) ergab sich nur eine Besserung durch Cortison. Am Tag habe ich es meist nur einmal so heftig - ich versuche da ja auch in Bewegung zu bleiben. Haben sie einen Rat - denn Cortision (obwohl derzeit geringe Dosis von 2,5 - 5 mg) auf Dauer - ist wohl nicht das Beste
    • Mir steht eine Hüftoperation bevor. Weis nicht genau ob meine spastischen Krämpfe bei Nacht da nicht ein großes Problem werden können. Haben sie Erfahrungswerte für so eine OP?
    • Ich komme aus Österreich und wäre über eine Antwort sehr dankbar und hoffe, dass dies möglich ist

      Diese individuellen Fragen müssen sicherlich durch Ihre Neurologie-Praxis bzw. HSP-Ambulanz geklärt werden. Bei nächtlicher einschießender Spastik hilft vielen Patienten die abendliche Einnahme eines klassischen Antispastik-Medikamentes wie Baclofen. Bei HSP-Patienten mit nachgewiesener deutlicher Hüftgelenks-Arthrose, hierzu passenden Schmerzen und fehlgeschlagener nichtoperativer Therapie ist eine Operation durchaus eine Therapiealternative, die Hüftschmerzen lindern kann.


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