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Das HSP-Treffen am 02.11.2013 im Raum Hannover

BeitragVerfasst: Mi 13. Nov 2013, 21:06
von Siggi
Bei unserem letzten Treffen am 02.11.2013 fanden sich 19 Gäste aus ganz Niedersachsen, Hamburg und NRW in Wunstorf ein. Wir begannen mit einer Vorstellungsrunde, in der jeder einige Minuten etwas über sich berichten konnte.

Im anschließenden Gesprächskreis erörterten wir Folgendes:
Eine HSP'lerin erzählte, dass ihr bei nächtlichen Wadenkrämpfe Schüssler Salze Nr 2 und 7 helfen, Calzium und Magnesium, und sie so chininhaltige Medikamente (mit Nebenwirkungen) vermeiden könne. Eine andere Betroffene nimmt aus dem gleichen Grunde Calzium und Magnesium als homöopatisches Mittel in Form von Globoli. Keiner sollte da alleine agieren, besser ist so etwas mit persönlich auf einen abgestimmter Empfehlung durch jemanden, der in Homöopathie ausgebildet ist. Krankenkassen übernehmen die Kosten solcher Beratung und sogar die Mittel, wenn es kassenärztlich niedergelassene Mediziner mit entsprechender Weiterbildung sind.

Eine voll berufstätige Patientin berichtete vom Umbau ihres Pkw auf Handbetrieb, was 7.500,-€ gekostet hat, weil z.B. auch eine Standheizung eingebaut wurde, da eben ein Rollifahrer schlecht die Scheiben freikratzen kann. Der Umbau wurde komplett von der Rentenversicherung übernommen , da sie berufstätig ist. Manchmal ist auch das Arbeitsamt zuständig. Näheres ist hier nachzulesen.

Der Antrag für den Fahrzeugumbau einer HSP'lerin, die nicht mehr berufstätig ist, allerdings viele Ehrenämter wahrnimmt, wurde jedoch gerichtlich abgelehnt. Obwohl im Kapitel 7 des SGB IX die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hervorgehoben wird .

Ein neueres Urteil vorm Bundessozialgericht vom 23.8.2013, B 8 SO 24/11 R zum Antrag einer anderen Frau, die nicht berufstätig jedoch ehrenamtlich tätig ist, enthielt diesen Passus:
>>Die von der Klägerin ausgeübte ehrenamtliche Tätigkeit gehört in besonderer Weise zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Dies verdeutlicht § 11 Abs 2 Satz 2 SGB XII; danach umfasst die aktive Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft auch ein gesellschaftliches Engagement. Es spielt mithin keine Rolle, dass durch etwaige Eingliederungshilfeleistungen die ehrenamtliche Tätigkeit mittelbar "gefördert" wird; denn in erster Linie soll der Umbau des Fahrzeugs die Mobilität der Klägerin erhöhen oder herstellen und ihr die Teilhabemöglichkeit eröffnen. Ob die Teilhabemöglichkeit in der Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit oder dem Besuch von Sportveranstaltungen oder Musikaufführungen besteht oder mit einer (sonstigen) aktiven Vereinsmitgliedschaft zusammenhängt, obliegt der Entscheidung des Behinderten. Er bestimmt selbst, was er in seiner Freizeit tut und welche Möglichkeiten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft er ergreift. Gerade ältere, aus dem Arbeitsleben ausgeschiedene Menschen haben ein besonderes Bedürfnis, neue soziale Kontakte zu finden oder alte aufrechtzuerhalten, und nutzen die Möglichkeit, dies in ehrenamtlichen Tätigkeiten zu tun, um ihre Fähigkeiten sinnvoll und gewinnbringend einzusetzen und nicht auf das "Abstellgleis geschoben" zu werden.<<

Ein Therapiegerät, das viele von uns kennen, ist das motomed der Fa Reck . Es ist in etwa wie ein Fahrradvorderteil, an dass man einen Stuhl oder Rollstuhl stellen kann, um mit oder ohne Motor die Spastik zu lockern oder Muskulatur zu trainieren. Zusätzlich zur Krankengymnastik. Man benötigt zunächst eine gut begründete Verordnung vom Arzt. Fa Reck hilft einem mit den Argumenten, ggf auch mit dem Widerspruch.

Ein Ehepaar schildert einen erfolgreichen Widerspruch gegen die Krankenkasse, berichtet dass sie nun endlich den Elektrorollstuhl für den Ehemann bekommen haben. Unterstützt von einer Organisation, bei der sie für jeden Widerspruch 50,-€ bezahlen müssten. Es kam der Einwand, dass andere Organisationen das kostenlos machen, wie zum Beispiel der Sozialverband Vdk, man müsse nur einen monatlichen Beitrag von wenigen Euro bezahlen. Doch auch hier wird für jeden Widerspruch eine Pauschale von 55,-€ fällig und bei einer Klage eine Pauschale von 100,-.

Ein HSP-Betroffener brachte eine sehr interessante Informationen zu einer privaten Pflegeversicherung mit. Falls jemand hier Genaueres wissen möchte, bitte durch PN nachfragen bei mir oder bei Sven56.

Kurz erwähnt wurde auch das Training auf dem SRT-Gerät (SRT = stochastische Resonanztherapie), für nähere Infos gibt es hier einen link . Leider ist diese Therapie bisher nicht verordnungsfähig. Meistens findet man die Geräte in KG- oder Ergotherapie-Praxen, in vielen Fällen ist ein Probetraining möglich. Ich habe in Hannover für die 10er-Karte über je 20 Minuten 48€ bezahlt.

Wir haben über die IGs „Ge(h)n-mit-HSP“ gesprochen und über den Förderverein für HSP-Forschung. Beim Treffen wurde uns auch Geld speziell für die HSP-Forschung zur Nonsensemutation gegeben, ich habe aufgerundet und 40,00€ an den Förderverein für HSP-Forschung gespendet.

Somit hatten wir einen recht interessanten Gesprächskreis. Danach gab es ein kleines von uns gekochtes Mittagessen, an dem auch Dr. Ebke teilnahm.

Herr Dr. Markus Ebke, Chefarzt der Neurologie der Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik in Nümbrecht, hat viele Stunden mit uns verbracht und viele interessante medizinische Themen mit uns besprochen. Eingehen möchte ich hier lediglich auf den Beitrag zu Botulinumtoxin.


Dr. Ebke beginnt seinen Vortrag mit den Worten „Botulinumtoxin ist ein Gift, das stärkste Neurotoxin, das wir kennen!“. Im 19. Jahrhundert hatten Menschen verdorbene Fleischwurst gegessen, woraufhin sie Lähmungen bekamen und verstarben. Das Bakterium Clostridium Botulinum produziert diesen lebensbedrohlichen Giftstoff.

Um 1916 wurde Botulinumtoxin als Kampfstoff eingesetzt. Und: Es eignet sich hervorragend zur Behandlung von Krankheiten!!

Schon 1960 wurde mit Botulinumtoxin A behandelt, erster Einsatz: Schielende Kinder. Kinder (älter als 6 Monate!) vertragen es besser als Erwachsene. Im Laufe weniger Jahre kamen weitere Indikationen dazu, die mit Botulinumtoxin behandelt werden konnten, wie z.B. Spastik.

Wesentliche Symptome der Spastik sind das Überschießende und das Steife. Wird hier vorwiegend das Überschießende mit Muskelrelaxantien behandelt, wird die Körperspannung reduziert, Müdigkeit verursacht - aber das Steife, das, was die Bewegung einschränkt, die Schmerzen verursacht, die Kraft nimmt, das bleibt.

Bei einer Behandlung mit Botulinumtoxin A wird der Wirkstoff in den betroffenen Muskel injiziert und gelangt in die Nerven. Hier würde normalerweise der Neurotransmitter Acetylcholin die Nervenreize weiterleiten und den Muskel anspannen. Botulinumtoxin verhindert jedoch die Freisetzung des Acetylcholins, so dass der Muskel entspannt bleibt, erschlafft. Menschen, die lange Zeit z.B. eine Beugespastik im Arm sowie eine fest geschlossene Hand hatten, konnten die Hand wieder öffnen.

Einsatzmöglichkeiten von Botulinumtoxin A bei HSP sind z.B. Spitzfussbehandlung, Hüftspastik, Paraspastik, Armspastik, auch Frozen Shoulder. Die Behandlung der Adduktorenspastik kann sogar bei Blasenentleerungsproblemen helfen. Auch die Behandlung von Sprech- und Stimmstörungen könnte möglich sein, dazu wäre bei einem HNO-Spezialisten zu klären, ob die Störungen dyston-bedingt sind. Die Blase selbst kann ebenso mit Botulinumtoxin behandelt werden.

Die Wirkung beginnt 7-10 Tage nach der Injektion und hält an für ca 3 Monate. Sie kann so oft wie nötig wiederholt werden. Das Gift wird nicht in der Leber oder der Niere abgebaut, sondern lokal durch Enzyme unwirksam gemacht. Belastet den Körper nicht, wie es z.B. Muskelrelaxantien tun.

Das Feststellen, wohin gespritzt werden muss, erfolgt klinisch. Die Spastik kann gemessen werden, erfühlt, das Gangbild wird angesehen, kann erfolgen unter Mithilfe eines Physiotherapeuten. Ebenso muss der Arzt eine Dosis berechnen, die den optimalen Erfolg erbringt. Die erste Behandlung kann somit noch nicht ganz optimal sein. Bewegung nach der Injektion ist vorteilhaft.

Es gibt HSP-Patienten, die eine Baclofenpumpe haben, auch da ist zusätzlich die Botulinumtoxin-Behandlung möglich, es gibt Kombi-Behandlungen mit guten Erfolgen.

Notwendig, um eine Botulinumtoxin-Behandlung zu bekommen , ist eine Überweisung in eine neurologische Ambulanz bzw. eine Ambulanz für Bewegungsstörungen. Ambulanzen, die auch das Vorgehen mit der Krankenkasse klären können. Die Ärzte dort sollten sich gut mit HSP auskennen. Oft ist das alles in Uni-Kliniken oder in den HSP-Ambulanzen der Fall.


Nachdem wirklich keiner mehr Fragen hatte, bedankten wir uns herzlich bei Herrn Dr. Ebke und überreichten ihm unter anderem ein akademisches Quietsche-Entchen :) .

Ganz allgemein herrschte Zufriedenheit über dieses Treffen - und wir freuen uns schon auf das nächste im Frühjahr!!

Siggi . Monika . Alex