.Jetzt ist es klar!!!Hallo zusammen,
ich habe mich zu früh gefreut! Die in meiner Nachricht vom 1. Januar beschriebene, optimistische Vermutung, dass ich zukünftig nur noch ein Rezept für Physiotherapie in einem Jahr benötige, ist falsch. Sie beruhte auf einer Fehlinterpretation des Textes der Heilmittelrichtlinie. Dennoch bietet die Neufassung der Heilmittelverordnung Vorteile für viele von uns.
Eine Genehmigung ist keine VerordnungIm Text zu §8 (Verordnung außerhalb des Regelfalls) Absatz 5 heißt es, dass „
verordnungsfähige Leistungen….
langfristig genehmigt werden können“. Die Langfristigkeit wird mit mindestens einem Jahr definiert.
Entscheidend sind nun die Begriffe „Verordnung“ und „Genehmigung“.
- Wir bekommen die Physiotherapie vom Arzt verordnet.
- Die Krankenkassen genehmigen auf Antrag des Patienten, dass der Arzt die vorgeschlagene Maximalmenge überschreiten darf.
Im Text des §8 Abs.5 ist nur die Genehmigung definiert.
Damit ist folgendes geregelt: Spricht die Krankenkasse –auf Antrag des Patienten– die Genehmigung aus, so dass die Therapie langfristig verordnet werden darf, dann belasten solche Verordnungen das Budget des Arztes nicht mehr. Dennoch ist es dem Arzt nicht erlaubt, einzelne Verordnungen auf eine Dauer von mehr als 12 Wochen auszustellen. Spätestens nach 12 Wochen ist ein Folgerezept erforderlich, wenn dies nicht innerhalb der 12 Wochenfrist bereits ausgestellt war. Diese 12-Wochenregelung hat ihre Grundlage im Absatz 1 dieses §8.
Die Genehmigung der Krankenkassen ist also keine Verordnung, ist also kein Rezept. Rezepte darf nur der Arzt ausstellen. Die Genehmigung gibt dem Arzt die Möglichkeit, problemlos außerhalb des Regelfalls zu verordnen.
Dieser §8 (Verordnung außerhalb des Regelfalls) ist unten nochmals erfasst. Der sehr klare Vorteil dieser neuen Richtlinie ist darin zu sehen, dass bei chronischen Krankheiten, wie bei unserer HSP, das
Budget der Arztpraxis nun nicht mehr durch diese Verordnungen belastet wird. Rezepte für die Physiotherapie können also wiederholt ausgestellt werden.
Klärung über das Buch 5 des Sozialgesetzbuchs Der Angesprochene §8 ist Bestandteil der Heilmittelrichtlinie, die im Gesamttext über den Link
http://www.g-ba.de/downloads/39-261-1291/2011-01-20_HeilM-RL_Neufassung_BAnz.pdf abrufbar ist. Der Text wurde zum 30.06.2011 veröffentlicht. Die Patientenvertretungen zu einigen Krankheitsbildern hatten deren Mitglieder im Sommer 2011 zunächst so informiert, wie ich das in meiner Nachricht vom 1. Januar an die Nutzer dieses Forums auch gemacht hatte. Der Text der Heilmittelverordnung wurde aber häufig falsch verstanden.
Auf Bestreben dieser Patientenorganisationen wurde nun eine Klarstellung erreicht, die mit Wirkung zum 1.1.2012 in das fünfte Buch des Sozialgesetzbuches eingearbeitet wurde. Bei Lothar Riehl bedanke ich mich, dass er mir den neuen Text aus §32 des SGB V, Absatz 1a so schnell zusenden konnte. Ich erhielt von ihm den Text am 4.1.2012, also drei Tage nachdem er gültig wurde. Ich füge den entsprechenden Link, genauso wie den Link zum Verweis auf §92 „Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses“, unten mit an. Das soll der umfangreichen Information dienen.
Was ist nun zu tun? - Zunächst solltest du mit deinem Arzt darüber sprechen, ob du einen Antrag bei deiner Krankenkasse stellen musst. Bei einigen Kassen ist das nicht erforderlich, da sie bereits bisher schon problemlos die dauerhaften Verordnungen akzeptiert haben.
- Falls du in der Vergangenheit Probleme bei der Verordnungsmenge der Physiotherapie hattest, dann ist ein Schreiben an deine Krankenkasse ratsam. Zur Verordnungsmenge sei hier erwähnt, dass häufig eine Doppeleinheit (also etwa 45 bis 60 Minuten) zweimal in der Woche als sinnvolle Therapie angesehen wird. Die für dich richtige Therapieform sowie die notwendige Menge kann nur dein Arzt beurteilen und festlegen.
- Sollte in deinem Fall ein Schreiben an die Krankenkasse notwendig sein, dann stelle bitte den Antrag unter Bezugnahme auf §8 der Heilmittelrichtlinie. Füge bitte ein Schreiben deines Arztes bei, in dem er deine HSP mit den bei dir typischen Symptomen beschreibt. In diesem Schreiben sollte dein Arzt zudem -unter Bezugnahme auf "§3 Voraussetzungen der Verordnung" der Heilmittelverordnung- erklären, welche Ergebnisse er aus der dauerhaften Verordnung erwartet.
- Beachte bitte, dass das „Sozialgesetzbuch fünf“ in § 32 festsetzt, dass deine Krankenkasse binnen vier Wochen auf deinen Antrag reagieren muss. (Text aus dem Gesetz siehe unten). Geschieht dies nicht, dann gilt dein Antrag als angenommen. Es ist daher sicher sinnvoll, einen solchen Antrag per Einschreiben / Rückschein zu versenden.
Ich hoffe es sehr, dass die Erklärungen zum neuen Verfahren hilfreich sind. Mögen sie dazu beitragen, dass sich die Versorgungssituation mit Heilmitteln nun endgültig zu eurem Nutzen klärt. Unten sind noch die Anlagen enthalten, die ich angesprochen hatte.
Gruß
Rudi
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Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses
über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinie/HeilM-RL)Quelle: http://www.g-ba.de/downloads/39-261-1291/2011-01-20_HeilM-RL_Neufassung_BAnz.pdf§8 Verordnung außerhalb des Regelfalls(1)Lässt sich die Behandlung mit der nach Maßgabe des Heilmittelkatalogs bestimmten Gesamtverordnungsmenge nicht abschließen, sind weitere Verordnungen möglich (Verordnungen außerhalb des Regelfalls, insbesondere längerfristige Verordnungen). Solche Verordnungen bedürfen einer besonderen Begründung mit prognostischer Einschätzung. Dabei sind die Grundsätze der Verordnung im Regelfall mit Ausnahme des §7 Absatz 10 anzuwenden.
Die Verordnungsmenge ist abhängig von der Behandlungsfrequenz so zu bemessen, dass mindestens eine ärztliche Untersuchung innerhalb einer Zeitspanne von 12 Wochen nach der Verordnung gewährleistet ist.(2) Bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls ist nach vorausgegangenen Heilmittelanwendungen kein behandlungsfreies Intervall zu beachten.
(3) Insbesondere bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls hat die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt störungsbildabhängig eine weiterführende Diagnostik durchzuführen, um auf der Basis des festgestellten Therapiebedarfs, der Therapiefähigkeit, der Therapieprognose und des Therapieziels die Heilmitteltherapie fortzuführen oder andere Maßnahmen einzuleiten.
(4) Begründungspflichtige Verordnungen sind der zuständigen Krankenkasse vor Fortsetzung der Therapie zur Genehmigung vorzulegen. Nach Vorlage der Verordnung durch die oder den Versicherten übernimmt die Krankenkasse die Kosten des Heilmittels unabhängig vom Ergebnis der Entscheidung über den Genehmigungsantrag, längstens jedoch bis zum Zugang einer Entscheidung über die Ablehnung der Genehmigung. Verzichtet die Krankenkasse auf ein Genehmigungsverfahren hat dies die gleiche Rechtswirkung wie eine erteilte Genehmigung. Sie informiert hierüber die Kassenärztliche Vereinigung.
(5)
Auf Antrag der oder des Versicherten entscheidet die Krankenkasse darüber, ob der oder dem Versicherten wegen der sich aus der ärztlichen Begründung ergebenden besonderen Schwere und Langfristigkeit ihrer oder seiner funktionellen/strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigungen der Aktivitäten und des nachvollziehbaren Therapiebedarfs die insoweit verordnungsfähigen Leistungen in dem insoweit verordnungsfähigen Umfang langfristig genehmigt werden können.
Die Genehmigung kann zeitlich befristet werden, soll aber mindestens ein Jahr umfassen.________________________________________________________________________________________
§ 32 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V)in der Fassung vom 01.01.2012 (geändert durch Artikel 1 G. v. 22.12.2011 BGBl. I S. 2983)
Quelle: http://www.buzer.de/gesetz/2497/al31305-0.htm§ 32 Heilmittel
(Textabschnitt unverändert)
(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit sie nicht nach § 34 ausgeschlossen sind. Für nicht nach Satz 1 ausgeschlossene Heilmittel bleibt § 92 unberührt.
(Text neue Fassung)
(1a)
Versicherte mit langfristigem Behandlungsbedarf haben die Möglichkeit, sich auf Antrag die erforderlichen Heilmittel von der Krankenkasse für einen geeigneten Zeitraum genehmigen zu lassen. Das Nähere, insbesondere zu den Genehmigungsvoraussetzungen, regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6.
Über die Anträge ist innerhalb von vier Wochen zu entscheiden; ansonsten gilt die Genehmigung nach Ablauf der Frist als erteilt. Soweit zur Entscheidung ergänzende Informationen des Antragstellers erforderlich sind, ist der Lauf der Frist bis zum Eingang dieser Informationen unterbrochen.
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Quelle: http://www.buzer.de/gesetz/2497/a35720.htm§ 92 Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist.
Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die............... 1. bis 5. hier nicht aufgeführt............... 6. Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege und Soziotherapie,............... 7. bis 15. hier nicht aufgeführt