Seite 1 von 1

Veröffentlichung chinesischer HSP-Forscher zum SPG4

BeitragVerfasst: Mo 1. Nov 2021, 18:50
von Rudi
...........
Hallo zusammen,

es gibt seit wenigen Tagen ein sehr interessante Veröffentlichung chinesischer HSP-Forscher zum SPG4. Die Arbeit trägt den Titel "Molekulare und zelluläre Mechanismen von Spastin bei neuraler Entwicklung und Erkrankung" und ist
hier per Klick abrufbar.

Ich füge unten die übersetzte Fassung des Schlussabsatzes ein. Sie zeigt sehr klar, wie hoch komplex die Forschung am SPG4 und damit am Spastin ist. Das hier Gesagte gilt in ähnlicher Form auch für die anderen Gene und ihre Proteine, die die HSP-Symptomatik auslösen. Es ist zu erkennen, dass die Forschung an der HSP durch internationale Kooperation und durch gezielte Forschungsunterstützung in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat. Auch eure Spendengewinnung sorgt dafür, dass die HSP besiegbar werden wird!

Herzliche Grüße
Rudi

---------------------------------

Aus: "Molekulare und zelluläre Mechanismen von Spastin bei neuraler Entwicklung und Erkrankung"

6. Abschließende Bemerkungen

HSP ist eine Krankheit, die durch verschiedene Genmutationen mit unterschiedlichen Phänotypen verursacht wird. Das Auftreten von HSP wird jedoch normalerweise durch eine einzelne Genmutation verursacht. Daher ist es vielversprechend, präzise Medikamente zur gezielten Behandlung einzelner Gene zu entwickeln. Spastin ist das am häufigsten mutierte Gen von HSP und macht 60 % der autosomal-dominanten Vererbung und 15 % der sporadischen Fälle aus. Ausgehend von HSP-SPG4 als Ausgangspunkt hat die Forschung zu Spastin in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche zugrunde liegende molekulare Mechanismen der Zellfunktion aufgedeckt, die zum Verständnis des potenziellen Mechanismus der Axondegeneration beitragen. Die zellulären Funktionen von Spastin müssen jedoch noch vollständig geklärt werden, und die Gentherapie, die auf Spastin für HSP abzielt, ist immer noch voller Herausforderungen.

Die wichtigste Entdeckung zum Verständnis der Funktion von Spastin ist, dass es sich um ein MT-trennendes Enzym (Ergänzung Rudi: MT=Mikrotubuli) handelt, das in der Lage ist, lange MTs in kurze Fragmente zu schneiden. Spastin ist ein Protein mit mehreren modularen Domänen. Durch die Wechselwirkung mit anderen Proteinen oder Membranstrukturen ist Spastin in der Lage, verschiedene zelluläre Unterregionen zu durchtrennen und an verschiedenen zellulären Aktivitäten wie endosomalem Transport, ER-Formung, MT-basiertem Transport und Lipidstoffwechsel teilzunehmen. Ihre molekularen Mechanismen sind jedoch noch nicht vollständig aufgeklärt. Darüber hinaus müssen bestimmte innovative zelluläre Mechanismen, die durch Spastin vermittelt werden, wie die LD-Bildung und der Peroxisom-vermittelte FA-Stoffwechsel bei Patienten mit HSP, noch erforscht werden. Um die ultramikrozelluläre Struktur der Axondegeneration bei Patienten oder Modellen von HSP zu beobachten, ist eine hochauflösende Bildvisualisierungstechnologie erforderlich.

Obwohl die Entwicklung von Medikamenten gegen Spastin vielversprechender zu sein scheint, gibt es noch zahlreiche Hindernisse, die die Entwicklung von Präzisionstherapeutika behindern. Erstens bleibt die Ätiologie von HSP-SPG4 unklar. Konkret bleibt zu klären, ob Haploinsuffizienz oder Funktionsgewinn die Degeneration von Axonen verursacht. Wenn der Gain-of-Function-Mechanismus wirklich existiert, muss das toxische mutierte Spastin unbedingt entfernt oder die toxischen Wirkungen, die durch mutiertes Spastin verursacht werden, gehemmt werden. Beispielsweise könnte die Verwendung eines CK2-Inhibitors zur Aktivierung des axonalen Transports die axonalen Schwellungen bei HSP-Patienten reduzieren. Darüber hinaus bleibt zu bestimmen, ob M1- und M87-Mutationen das Auftreten von HSP unabhängig oder koordinativ vermitteln und wie M1 und M87 ihre Funktion koordinieren. (Ergänzung Rudi: Mit M1 und M87 werden zwei Formen des Spastin bezeichnet, die durch das Gen SPG4 codiert werden. M1 ist die lange Form und M87 ist eine verkürzte Form). Beide Isoformen sind in der Lage, Neuritenlänge und -verzweigung wiederherzustellen und Axonschwellungen in induzierten pluripotenten Stammzellen eines Patienten mit einer Spastin-Nonsense-Mutation zu reduzieren, und es bleibt zu bestimmen, welche Isoform oder ob beide für die Genesung wichtig sind. Es sollte auch geklärt werden, welche Isoform als therapeutisches Ziel verwendet werden soll. Darüber hinaus verbessert die Verwendung von MT-Depolymerisationsmedikamenten wie Vinblastin den Phänotyp von HSP-SPG4, aber MT-Depolymerisationsmedikamente sind nicht zielgerichtet. Es bleibt zu klären, ob sie die MT-Dynamik in anderen Zellregionen verändern und andere Nebenwirkungen verursachen. Schließlich zerstört übermäßiges Spastin das Zytoskelett und ist für Neuronen toxisch. Es ist daher erforderlich zu bestimmen, wie die genaue Dosierung von Spastin gemäß physiologischen Bedingungen verabreicht wird, um die Axondegenerationsstelle zu erreichen.

Schnelle Fortschritte beim Verständnis der molekularen Mechanismen von Spastin versprechen, in naher Zukunft den grundlegendsten zellbiologischen Mechanismus von HSP-SPG4 aufzudecken. Die Lösung dieser Fragen wird dazu beitragen, Patienten mit HSP präzisere und innovativere Behandlungen anzubieten.