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Rezeptbefreiung ohne Gentest möglich?

BeitragVerfasst: Do 8. Dez 2022, 18:21
von Heike Schumacher
Hallo ihr Lieben,
bei mir wurde im Februar 2022 in der Uniklinik Eppendorf (UKE) HSP diagnostiziert, dachte ich jedenfalls, fühlte mich chronisch krank und wollte bei der Krankenkasse einen Antrag auf Befreiung der Rezeptgebühren stellen. Im April 2022 wurde bei mir ein Gentest gemacht, aber keine Genmutation nachgewiesen, wie es ja für die Hälfte der HSP-Kranken vorkommt. Meine Diagnose ist jetzt Paraspastik mit bulbärer Beteiligung und Verdacht auf komplexe HSP. Diese Diagnose reicht jetzt anscheinend nicht aus, um mich im Formblatt als chronisch krank auszuweisen.
Wer kann denn jetzt ohne Gentest nachweisen und bestätigen, dass ich HSP habe und chronisch krank bin? Hat jemand ähnliche Erfahrungen und vielleicht eine Idee dazu?

LG aus Bremen

Heike

Re: Rezeptbefreiung ohne Gentest möglich?

BeitragVerfasst: Do 8. Dez 2022, 20:29
von Lothar
Hallo Heike,

eine eindeutige, positive Gendiagnose ist für die Zuzahlungsbefreiung bei einer GKV nicht erforderlich. Grundsätzlich kann sich jeder GKV-Versicherte von den Zuzahlungen befreien lassen, wenn die entsprechenden Regeln erfüllt sind.

Bei nicht chronisch Erkrankten liegt die Zuzahlungs- bzw. Belastungsgrenze bei zwei Prozent des Bruttoeinkommens und bei chronisch Kranken liegt sie bei einem Prozent. Diese zwei, bzw. dieses eine Prozent in Euro muss man in jedem Fall bezahlen.

Folgende Kriterien wurden für die Definition einer chronischen Erkrankung in diesem Fall festgelegt:
• Es liegt ein Grad der Behinderung oder Erwerbsminderung wegen der Erkrankung von mindesten 60 vor
oder
• Es liegt eine Pflegebedürftigkeit des Pflegegrades drei, vier oder fünf vor
oder
• Auf Grund der Erkrankung ist eine dauerhafte medizinische Versorgung notwendig

Unter folgendem Link zur Verbraucherzentrale findest du nach meiner Einschätzung noch viele weitere hilfreiche Infos zu dem Thema. Gerne kannst du mir aber auch eine PN schicken, falls du noch Fragen hast.

Herzliche Grüße
Lothar

Re: Rezeptbefreiung ohne Gentest möglich?

BeitragVerfasst: Do 8. Dez 2022, 20:39
von Katrin
Hallo Heike,

ich selber habe keine HSP sondern meine Tochter. Sie hat SPG 80, bis zur namentlichen Diagnose hat es 19 Jahre gedauert. Ich selber habe seit Geburt eine Tetraspastik und Epilepsie.
Man gilt als chronisch krank, Gentest hin oder her, wenn man mindestens einmal pro Quartal wegen der identischen Krankheit bei seinem Facharzt ist. Bei mir für Physiotherapie-Rezepte und Medikamentenrezepte vom Neurologen seit Geburt.
Meine Physio-Rezepte haben den Zusatz "Ausserhalb vom Regelfall" angekreuzt, damit man mit Spastik nach 6 Wochen Therapie nicht 3 Monate Pause machen muss, was bei Spastik eher zur Verschlechterung als zur Besserung oder zur Erhaltung des Ist-Zusatands beiträgt.
Rezeptbefreiung gibt es in Zusammenhang mit dem monatlichen Einkommen, bei meiner Tochter aktuell das kleine Ausbildungsgeld. Man kann auch den geschätzten Eigenanteil zu Jahresbeginn an die Krankenkasse überweisen und bekommt dann eine Befreiungskarte zur Vorlage beim Arzt und in der Apotheke.
Ich selber sammele alle Rezeptgebühren des Jahres und lasse mir im Januar die Chronisch-Krank-Bescheinigung zuschicken, mit der man nur 1% anstatt 2% des Jahreseinkommens zahlen muss. Ich fülle den Bogen aus und schicke die Dezember-Gehalts-Abrechnung in Kopie mit den Jahreswerten zusammen mit Apothekenbons und Rezeptquittungen an die AOK und freue mich dann meistens auf eine kleine Rückzahlung, von der ich einmal einkaufen gehe :)

Ich hoffe, ich konnte dir etwas helfen
Gruß, Katrin

Re: Rezeptbefreiung ohne Gentest möglich?

BeitragVerfasst: Sa 10. Dez 2022, 10:22
von Lothar
Hallo Katrin,

danke für deinen ergänzenden Beitrag. In einem Punkt muss ich dir jedoch leider widersprechen. Wegen der „Juristerei“ wollte ich nicht darauf eingehen. Du hast geschrieben: „Man gilt als chronisch krank, Gentest hin oder her, wenn man mindestens einmal pro Quartal wegen der identischen Krankheit bei seinem Facharzt ist“ und das stimmt leider nicht.

In der geänderten „Chroniker Richtlinie“ zu dem §62 SGB V des G-BA, welche zum 06.03.2018 in Kraft getreten ist steht hierzu folgendes:


§ 2 Schwerwiegende chronische Krankheit:

(1) Eine Krankheit i. S. d. § 62 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand, der Behandlungsbedürftigkeit zur Folge hat. Gleiches gilt für die Erkrankung nach § 62 Absatz 1 Satz 4 und 8 SGB V.

(2) Eine Krankheit ist schwerwiegend chronisch, wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung) und eines der folgenden Merkmale vorhanden ist:

a) Es liegt eine Pflegebedürftigkeit des Pflegegrades 3, 4 oder 5 nach dem zweiten Kapitel SGB XI vor.

b) Es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) oder ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 60 oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 60 % vor, wobei der GdB nach den Maßstäben des § 152 in Verbindung mit § 153 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), der GdS nach den Maßstäben des § 30 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in Verbindung mit der Versorgungsmedizin-Verordnung und die MdE nach den Maßstäben des § 56 Absatz 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) festgestellt und zumindest auch durch die Krankheit nach Satz 1 begründet sein müssen.

c) Es ist eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Behandlungspflege, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln) erforderlich, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die aufgrund der Krankheit nach Satz 1 verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist.



Liegt eines der drei „Merkmale“ nach dem und in §2 Abs. 2 vor, sind i.d.R. ebenfalls die vier Arztbesuche erfüllt. Aus diesem Grund ging ich nicht darauf ein.

Herzliche Grüße
Lothar




Re: Rezeptbefreiung ohne Gentest möglich?

BeitragVerfasst: Sa 10. Dez 2022, 11:18
von Katrin
Hallo Lothar,

ja stimmt. Da das bei mir lebenslänglich seit Geburt so ist, bin ich seitdem mit einem SBA mit 80% unterwegs, die chronische Krankheit ist lange bestätigt, in allen Computern aller Entscheider registriert und seit etwa 1,5 Jahren habe ich PG1, wovon ich wöchentlich eine Stunde Haushaltshilfe finanziere. Da rutschen mir solche juristischen Sachen durch, was für Personen, die sich erst neu damit beschäftigen, natürlich sehr wichtig ist.
Bei mir ist das längst zum Alltag geworden, es gehört einfach dazu. Und da ist die Art der chronischen Erkrankung und die dazugehörige Facharztrichtung egal.
Aber genau dafür sind wir ja hier, uns zu ergänzen, Alltagssituationen zu schildern, rechtliches einzufügen, was dann ein gutes Gesamtbild ergibt ;)

Gruß, Katrin