Hallo zusammen,
in einer Gruppe von 15 HSP’lern testen wir nun seit bereits ein paar Wochen ein neues Hilfsmittel, das die Firma Otto Bock vertreibt. Eine HSP’lerin aus unserer Interessengemeinschaft hatte es ausprobiert und hatte Unglaubliches berichtet. Ihre Gehstrecke hatte sich verfünffacht, sie konnte sich leichter bewegen, sie konnte nachts durchschlafen und hatte die typischen Schmerzen drastisch reduziert. Konnte das sein? War es ein Effekt, der nur bei ihr eintrat? Ist es vielleicht ein Hilfsmittel für viele unter uns? Kann es verordnet werden? Tragen die Krankenkassen die Kosten? Gibt es Nebenwirkungen?
All das haben wir diskutiert und haben beschlossen, Antworten auf die Fragen zu finden und dieses neue Hilfsmittel zu testen.
Zunächst wollten wir mehr an Infos bekommen. Wir waren hoch erstaunt über die möglichen Effekte, die in einem Video bei einer MS-Patientin gezeigt wurden. Wir waren nach dem Anschauen des Videos sprachlos. Ihr werdet es verstehen, wenn ihr euch das Video hier selbst anschaut.
Uns wurde klar, dass dieses Hilfsmittel ein spezieller Anzug ist, der über eingebaute Elektroden Muskelgruppen im Körper reizt. Angesprochen werden dabei nicht die spastisch betroffenen Muskeln sondern deren Gegenspieler. (Leicht verständliches Beispiel: Wäre der Bizeps spastisch gestört, so würde der Trizeps angesprochen). Im Anzug sind 58 Elektroden eingebettet. Diese Elektroden sind so positioniert, dass bis zu 40 wichtige Muskeln damit stimuliert werden können.
Der Anzug soll einmal täglich für eine Stunde getragen werden. In dieser Zeit geben die Elektroden ihre Stromspannung an den Körper ab. Während dieser Stunde soll man sich ganz normal bewegen. Die Muskeln sollen in Folge weicher werden; die Spastik soll minimiert werden; die Bewegung soll leichter werden. Diese Effekte sollen dann 24 Stunden anhalten.
Der Anzug wurde bereits vor einigen Jahren von einem Unternehmen in Schweden entwickelt. Er trägt den Namen "Exopulse Mollii Suit". Anfang diesen Jahres hat Otto Bock diese Entwicklung übernommen.
Der Anzug hat momentan noch keine Hilfsmittelnummer. Wenn man sich den Mollii selbst kaufen will, so fallen Kosten von etwa 8.000 bis 10.000 Euro an. Hinzuaddieren müsst ihr aber noch die Kosten der speziellen Reinigung, die mehrmals im Jahr anfallen. Der Anzug kann in ausgesuchten Sanitätshäusern, die von Otto Bock zertifiziert sind, getestet werden. Unten wird erklärt, wie ihr diese Häuser findet. Bei positivem Testergebnis kann er für vier Wochen gegen eine „Miete“ von etwa 800 Euro ausgeliehen werden. Es kann auch versucht werden, diesen vierwöchigen Test vom Arzt verordnen zu lassen und bei der Krankenkasse wegen der Kostenübernahme nachzufragen.
Oben hatte ich beschrieben, dass 15 HSP’ler aus unserer Interessengemeinschaft den Test machen wollten, um zu erkennen, in wie weit die bei MS beschriebenen Vorteile auch bei uns HSP-Betroffenen möglich sind. Ob die Kosten der entsprechenden ärztlichen Verordnungen durch die Krankenkassen übernommen werden, ist vermutlich nur nach notwendigen und aufwändigen klinischen Studien denkbar. Der Test, den wir mit den 15 Aktiven machen, soll die Grundlagen für eine solche, mögliche Studie liefern. Wir sind uns sicher, dass unsere Unikliniken mit den durch uns erzeugten Daten -sollten sie positiv sein- eine gute Ausgangslage für die Entwicklung einer notwendigen Studie geliefert bekommt.
Es wurden unterschiedliche Sanitätshäuser in ganz Deutschland ausgesucht, die bereit waren, einen für uns kostenlosen Test durchzuführen. Die Testtermine konnten zum Teil nicht kurzfristig vereinbart werden, da der „Ansturm“ von Spastik-Patienten aus anderen Krankheitsbildern auf diese Häuser aktuell sehr hoch ist. Einige unter uns haben Wartezeiten von vier oder fünf Monaten. Daher benötigt die Testserie mehr Zeit, als wir es ursprünglich erwartet hatten.
Dieser Test dauert etwa zwei bis drei Stunden. Über eine Videodokumentation wird die Bewegungsstörung ohne Stimulation aufgezeichnet. Danach erfolgt die individuelle Einstellung des Exopulse Mollii Suits sowie eine 60-minütige Muskelstimulation. In einem anschließenden Test wird durch eine erneute Videodokumentation überprüft, ob sich durch die Stimulation etwas signifikant verbessert hat.
Etwa die Hälfte der HSP’ler aus unserer aktiven Gruppe, die den Test machen, ist zwischenzeitlich durch. Als erstes Zwischenergebnis bleibt festzuhalten:
- Die Tests sind absolut unkritisch und werden mit speziell geschulten Mitarbeitern der Sanitätshäuser durchgeführt. Sie dauern gut zwei Stunden.
- Ein Teil der Tester zeigt Verbesserungen des Gangbildes. Diese Verbesserungen sind sichtbar und spürbar. Sie treten bei einigen gleich nach dem Tragen des Mollii auf. Bei anderen werden sie erst am Folgetag spürbar und sichtbar. Die Verbesserungen erreichen aber nicht das Ausmaß, das im oben verlinkten Video der MS-Patientin zu sehen ist.
- Die erreichten Verbesserungen sind für ein bis drei Tage spürbar.
- Ein anderer Teil der Tester zeigt keinerlei Verbesserungen.
- In den 60 Minuten, in denen der Anzug getragen wird, spüren die Tester ein Kribbeln am Rücken. Ein Teil der Tester spürt auch das Kribbeln an den Beinen. Diejenigen, die das Kribbeln an den Beinen nicht spürten, hatten keinen Verbesserungen durch den Anzug.
- Wesentlich scheint das Einstellen der Stromstärke zu sein. Eine höhere Stromstärke scheint für das Kribbeln an den Beinen notwendig zu sein. Diese Feststellung müsste aber in einer Studie untersucht werden.
- Ebenso müsste in einer Studie geklärt werden, ob es wirkungsvoller ist, den Anzug täglich eine Stunde oder alle zwei Tage für eine Stunde zu tragen.
- Es scheint so zu sein, dass die Wirksamkeit bei den HSP’lern, die bereits seit vielen Jahren mit den HSP-Symptomen leben, geringer ist, als bei denen, die erst „junge HSP’ler“ sind.
Otto Bock hat uns mitgeteilt, dass es von Seiten des Unternehmens zunächst andere Krankheitsbilder mit wesentlich mehr Betroffenen geben wird, die für eine Studie in Frage kommen. Bedauerlicherweise gelten die Studienergebnisse zu einem Krankheitsbild nur für diese Krankheit, so dass wir für die HSP diese Ergebnisse nicht nutzen können, sondern sicher eine eigene Studie benötigen. Für die Konzeption einer solchen Studie sind die Ergebnisse, die ihr im Test erzielt, sehr wichtig und sinnvoll.
Falls ihr mitmacht, so schaut bitte in die folgenden Internetseiten:
Seite von Otto Bock, zum Finden der zertifizierten Sanitätshäuser, die den Test mit euch machen dürfen. Scrollt da bitte nach unten bis zur Überschrift „Terminanfrage stellen“. Gebt in das erste Feld eure Postleitzahl ein. Klickt dann unten auf „Exopulse Suit“ und anschließend rechts auf „Suchen“. Ihr bekommt als Ergebnis die Sanitätshäuser angezeigt, die nahe bei der eingegebenen Postleitzahl liegen.
Natürlich kann dieses Thema auch zu einem Gesprächspunkt beim nächsten Informationsaustausch werden.
Herzliche Grüße
Rudi